Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi
verschlafener Mann, Mitte zwanzig, mit pechschwarzem Haar, in Unterhemd und Jogginghose, ließ sie in eine Wohnung, die der Hand einer pflegenden Kraft bedurft hätte.
»Machen Sie schnell. Ich muss noch ‘ne Runde schlafen und dann wieder los.«
Conrad und Julia nahmen auf einem Sofa Platz, gegenüber ein neuer, großer Fernseher, daneben Fenster und Balkontür. Der Balkon selbst war leer bis auf einen Stuhl. Draußen kämpfte die Sonne um die Vorherrschaft.
»Es geht um den Sonntagabend«, begann Conrad. »Da waren Sie zu Hause?«
»Sicher. Warum ist das wichtig?«
»Weil es vor Ihrem Haus eine Schlägerei gegeben hat, die kann Ihnen nicht entgangen sein.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Haben Sie oder haben Sie nicht?«.
»Was passiert, wenn ich nein sage?«, fragte der Mann, dem die Müdigkeit dunkle Ringe unter die Augen gemalt hatte.
»Dann könnten Sie wegen Falschaussage oder Behinderung der Ermittlungen bei einem Tötungsdelikt belangt werden.«
Julias Kopf zuckte zu Conrad herum. Gleich volle Breitseite. Aber es schien zu nützen. Jamal Kösters riss die Augen auf.
»Wer ist denn gestorben?«
»Der Junge, den man vor Ihrem Haus niedergeschlagen hat.«
»Aber.« Er verstummte und blickte einen Moment vor sich hin. »So schlimm war das doch gar nicht.«
»Immerhin so schlimm, dass zwei Menschen im Krankenhaus gelandet sind und einer von ihnen gestorben ist.«
Kösters knetete seine Hände, die Knöchel knackten. »Ich habe nicht gedacht …«
»… dass es so schlimm wird. Ja. Ist es aber. Was haben Sie gesehen, Herr Kösters, oder besser wen?«
Es dauerte ziemlich lange, bis er sich entschloss. Schließlich hob er den Kopf und fragte: »Was wollen Sie wissen?«
»Ob Sie die Täter beschreiben können, die für Rasids Tod verantwortlich sind?« Conrad wirkte genervt. Er griff sich an die Stirn. Oder wieder Kopfschmerzen.
»Im Beschreiben bin ich nicht gut.«
»Das macht nichts«, flocht Julia ein. »Versuchen Sie es einfach.«
»Wär wohl besser, wenn ich Ihnen sagen würde, wie die Typen heißen.« Kösters sah Conrad an. Das wäre allerdings viel besser. Conrad nickt nur.
»Pascal kenn ich vom Fußball. Der ist eigentlich okay. Aber seit er mit Robin und Lukas, so heißen die, glaub ich, abhängt, ist der Kleine echt ‘n Arsch geworden.«
Julia warf Conrad einen Blick zu. Kösters kannte alle drei.
»Warum haben Sie bisher nichts gesagt?« Conrad hob die Hand, als Kösters antworten wollte. »Pascal, Robin und Lukas also. Wie weiter?«
»Pascal Brunner. Die anderen …« Er hob die Schultern und knackte wieder mit den Knöcheln. Julia hasste das Geräusch.
»Pascal Brunner. Der hat eine Adresse?«
»Hat er.«
»Die da wäre?«
»Seit ein paar Wochen hat er eine eigene Bude. Wir haben einige Male dort gefeiert.« Er nannte die Adresse und Julia atmete auf. Endlich hatten sie etwas.
»Vielen Dank, Herr Kösters.« Sie standen auf und wollten sich verabschieden.
»Aber …«, sagte Kösters hinter ihnen, der ebenfalls aufgestanden war. Julia drehte sich um, und Conrad, schon fast im Flur, wartete. Der große Mann trat von einem Fuß auf den anderen.
»Sie sagen doch nicht, von wem Sie das haben?« In seinen Augen blitzte etwas, das mehr als Sorge war.
»Momentan ist das nicht nötig«, begann Conrad. Julia war dankbar, dass er es taktvoller anging, als sie bei seiner Stimmung vermutet hätte. »Um eine Zeugenaussage werden Sie aber sicher nicht herumkommen. Sie sind der Einzige, der die Täter erkannt hat.«
»Das geht nicht.«
»Das wird gehen.« Doch nicht so diplomatisch, der Conrad. Tatsächlich war es längst nicht sicher, dass man Kösters nicht wegen unterlassener Hilfeleistung anklagte.
»Warum nicht?«, fragte Julia deshalb.
»Ich habe mit der Sache nichts zu tun. Ich will da nicht in was reingezogen werden. Außerdem habe ich keine Zeit. Sie hatten Glück, mich anzutreffen, meist bin ich auf Montage.«
»Dafür werden Sie sich Zeit …« Julia stupste Conrad von hinten an und er schwieg.
»Ein Junge ist tot, Herr Kösters. Da geht es nicht darum, ob man in etwas hineingezogen wird.«
»Ich wohne noch nicht lange hier. Die Montage. Dauernd unterwegs. Ich hab nicht viele Freunde.«
»Deshalb haben Sie bisher nichts gesagt?«
Darauf antwortete er nicht.
»Es ist nicht schön allein«, sagte er nach einer Weile.
»Nein.« Julia wusste, was er meinte, nur änderte das nichts.
Sie ließen ihn stehen in dieser trostlosen Wohnung und mit nutzlos hängenden
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