Die Spur des Blutes (German Edition)
Wir befinden uns hier in einem Dilemma.«
Spears, oder wer immer zur Hölle er war, stemmte die rechte Hand in die Hüfte.
»Lass die Hände, wo ich sie sehen kann«, befahl sie. Dieses Geräusch … fließendes Wasser. Sie konnte es nach wie vor hören. Wo zur Hölle kam das her? Nicht von dem Waschbecken. Die Deckel auf den Bottichen waren geschlossen.
»Die Uhr tickt, Jess«, trällerte er.
Ihr Blick flog wieder zu ihm. Dan stöhnte, schaffte es, den Kopf zu heben. Er sah Jess an, und beinahe hätte die Welle von Mitleid, die in ihr wuchs, sie übermannt. Sie musste ihm helfen!
Sie packte die Glock noch fester. »Ich frage dich nur noch ein Mal: Wo ist Detective Wells?«
Spears ließ wieder sein Millionenlächeln aufblitzen. »Das Problem hatten wir schon immer, Jess. Du willst einfach nicht auf mich hören.« Plötzlicher Zorn verdunkelte sein Gesicht. »Pass gefälligst auf!«
Jess zuckte zusammen.
Bleib ruhig
.
»Hör mir ganz genau zu«, sagte er so ruhig, als hätte der kurze Wutausbruch gar nicht stattgefunden. »Wir haben nicht viel Zeit.«
»Gut. Ich höre.« Denk nach, Jess.
Was tut er als Nächstes?
Er hat einen genauen Plan.
Wie sieht deiner aus?
»Siehst du, Jess, ich werde hier rausspazieren. Und du –«
Ihre Hände zitterten.
Verdammt!
Er lächelte.
Heiße Wut überkam sie. Wie gern hätte sie diesen Dreckskerl erschossen. Wenn sie es tat, konnte sie dann Dan noch retten? Ihn runterholen? Wie sollte sie ihn hochhalten und gleichzeitig eine Leiter suchen?
Scheiße!
Und wo war Lori? Wieder sah sie sich um. Ihr Blick landete auf dem blutigen Messer auf dem Tisch.
Bitte lass sie nicht tot sein
.
»Du hast die Wahl«, fuhr Spears mit dieser Stimme fort, die nicht zu ihm passte.
Und dann wusste sie, was sie tun musste.
»Es tut mir leid«, unterbrach sie seinen Monolog. »Ich habe nicht zugehört.«
Sein übel zugerichtetes Gesicht verzog sich vor Zorn. »Du«, brüllte er, »kannst wertvolle Zeit vergeuden, indem du versuchst mich aufzuhalten, oder du kannst den Chief retten.« Er tätschelte Dans Beine. »
Oder
aber«, er neigte zur Betonung den Kopf, »du kannst deine Freundin Detective Wells retten.«
Jetzt war sie ganz konzentriert. Vor ihrem geistigen Auge blitzten Bild um Bild Ausschnitte der vielen Stunden auf, in denen sie Spears befragt hatte … seine Mimik und seine Eigenarten aufmerksam beobachtet hatte … auf die Nuancen in seiner Stimme gelauscht hatte.
Die Ruhe, die sie so dringend brauchte, legte sich über sie. »Du hast wohl alles genau durchdacht,
Reed
.«
Falls er überrascht war, dass sie den Unterschied erkannt hatte, zeigte er es nicht, aber er wirkte doch enttäuscht. Die selbstbewusste Miene und Haltung gerieten ins Wanken.
»Ganz richtig«, spottete sie, es ihm mit gleicher Münze heimzahlend, »ich weiß, wer du
nicht
bist. Hat dein Freund dich hiergelassen, damit du die Drecksarbeit für ihn erledigst? Sieht aus, als hättest du die Arschkarte gezogen. Ein cleverer Typ wie du hätte so etwas doch vorhersehen müssen.«
Wasser platschte auf den Boden. Jess’ Blick zuckte nach rechts, bevor sie sich gegen die automatische Reaktion wehren konnte. Wasser strömte unter dem Deckel hervor über den Rand eines der Bottiche.
»Und das ist mein Stichwort.«
Ihr Blick flog wieder zurück zu Reed.
»Eine letzte Frage«, sagte er. »Weißt du zufällig, wie lange Detective Wells den Atem anhalten kann?«
Oh Gott! Lori steckte in diesem Bottich! Der Drang, zu ihr rennen, war beinahe übermächtig.
Reed leckte sich die Lippen, als könnte er Jess’ Angst schmecken. »Ich weiß es, und ich würde sagen, dir bleiben noch maximal zwei Minuten.«
Die Angst, das Geräusch des platschenden Wassers … das alles trat in den Hintergrund. Es gab nur noch die Waffe in Jess’ Hand und das Ziel vor ihren Augen.
»Dann solltest du dich besser beeilen«, riet sie ihm.
Reed trat von Dan weg.
Jess schoss.
Der Schuss explodierte im Raum, brach die Trance, die alles andere blockiert hatte.
Reed sackte zu Boden.
Jess rannte zu dem Holztisch. Messer und Skalpelle klirrten und flogen über den Boden, als der Tisch die wenigen nötigen Meter rollte.
Dans Sneaker streiften über den Tisch, er zappelte, brachte die Füße unter sich und fing sich. Er versuchte zu sprechen, gab aber nur erstickte Laute von sich.
Sie hatte es geschafft. Er lebte.
Sie rammte die Waffe in ihren Hosenbund und stürzte auf den Bottich zu. Sie glitt aus. Traf hart auf den Boden. Rappelte sich
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