Die Spur des Blutes (German Edition)
Auf der glänzenden Oberfläche war ein matter Klecks oder Fleck.
Sie brauchte mehr Licht. Sie stand auf, ging zu den Fenstern an der Westseite des Hauses und zog die Jalousien auf. »Besser.«
Mitten im Zimmer lag Belinda Howards Handtasche, ihr Inhalt drumherum verstreut, als hätte sie sie dort fallenlassen. Vermutlich erschreckt durch den Mann, der an Jess’ Stelle aufgetaucht war. Howards Handy lag ein Stückchen entfernt. Kurz nach zwölf Uhr hatte sie einen Anruf von einer unterdrückten Nummer erhalten. Wenn man sie zurückverfolgte, würde man, so vermutete sie, bei einem Prepaid-Handy landen, das wahrscheinlich auf den Namen Jessie Harris registriert war. Solche kleinen Spitzen, die auf sie hinwiesen, gehörten zu Spears’ bevorzugter Methode.
Erneut ließ sie den Blick durch den großen, offenen Raum wandern.
Nein … Spears war nicht erst nach Howards Ankunft aufgetaucht. Von dort, wo sie ihre Handtasche hatte fallenlassen, hätte sie ihn durch dieses große Fenster eintreffen sehen und gewusst, dass ein Fremder kam statt Jess. Aber so war es nicht abgelaufen. Er war schon im Haus gewesen, als sie kam. Er hatte zugesehen oder zugehört, wie sie alles für die Besichtigung vorbereitete. Als sie fertig war und auf Jess’ Ankunft wartete, hatte Howard vermutlich das Zimmer durchquert, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Spears war aus seinem Versteck gekommen, sie war herumgefahren … und hatte ihre Tasche fallenlassen.
Jess sah sich in dem leeren Zimmer um. »Hmm.« Doch es gab nirgends ein geeignetes Versteck für ihn. Mit raschelnden Schuhüberziehern schlurfte sie zurück zum Eingangsflur. Die Tür unter der Treppe öffnete sich zu einem Garderobenschrank. Jess stieg hinein, zog die Tür hinter sich zu und schloss die Augen. Sie entspannte sich. Atmete tief. Sie konnte hören, wie Burnett leise mit jemandem draußen vor der Haustür sprach.
Ja. Hier hatte Spears sich versteckt. Er hatte Howards klackenden hohen Absätzen gelauscht, als sie über den glänzenden Holzboden ging. Gestern Abend zum Essen hatte sie hohe Absätze getragen, da schien es nur logisch, dass sie sich ähnlich kleidete, wenn es um den Verkauf eines solchen Luxushauses ging.
Spears liebte es, Jess in diesem Spiel immer wieder mit Unerwartetem zu konfrontieren.
Die Maklerin, die sie umworben hatte, dazu zu bringen, ihn hier zu treffen, hatte ihm sicherlich keinerlei Probleme bereitet. Ohne Zweifel hatte er ihr am Telefon gesagt, er würde in Jess’ Namen handeln. Selbst ohne die Aussicht auf eine Provision hätte Howard dem charismatischen Mörder nicht widerstehen können.
Jess kehrte zu dem Beweis zurück, dass sich in diesem Raum eine Gewalttat ereignet hatte, ließ sich erneut auf Hände und Knie nieder und beugte sich herunter, um den fast unsichtbaren Fleck auf dem Boden ein drittes Mal zu studieren. Sie berührte ihn mit dem behandschuhten Finger, hob den Finger an die Nase und schnüffelte. Leichter Parfumgeruch. Nicht überzeugt wischte sie mit dem Zeigefinger über ihre eigene Wange und schnupperte auch daran. Oh ja.
»Make-up.«
Sie musterte den Bereich ein bis eineinhalb Meter um den Fleck herum. Wenn der Boden nicht so spiegelblank poliert gewesen wäre, hätte sie ihn nie bemerkt. Das ganze Haus wirkte wie ein Modellhaus, das dazu diente, die anderen Immobilien im Viertel zu verkaufen. Das Einzige, was fehlte, waren die spärlichen, aber eleganten Möbel, die in einem solchen Ausstellungshaus gewöhnlich strategisch platziert waren.
Sie stemmte sich wieder auf die Füße und ließ das Szenario vor ihrem inneren Auge ablaufen. Howard hatte entweder auf der Seite gelegen oder mit dem Gesicht nach unten. Sehr wahrscheinlich bewusstlos. Da das Blut in der Nähe des Flecks war, hatte er vermutlich in ihren Arm oder ihre Hand geschnitten und den Schnitt dann dorthin gehalten, wo die Blutlache sein sollte. Als er hatte, was er wollte, hatte er die Wunde verbunden und einfach weitergemacht.
Der Spieler plante jeden seiner Schritte, und er hatte noch nie Fehler gemacht … bis jetzt.
So schien es zumindest. Aber nach allem, was sie über ihn wusste und was sie hier gesehen hatte, waren es vielleicht gar keine Fehler.
Nachdenklich wanderte sie, den Boden vor sich absuchend, in Richtung Küche. Die Duftkerze, die Howard in Erwartung ihres Treffens angezündet hatte, hatte den Kampf gegen den metallischen Geruch des gerinnenden Blutes verloren. Jess blies sie aus, froh um die kurze Pause, die ihr der
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