Die Spur des Boesen
Zange«, verlangte er.
Sarah kramte im Werkzeugkasten und fischte eine schwere Rohrzange heraus. »Die hier?«
»Genau.«
Sie reichte ihrem Vater die Zange. Als sie sich aufrichtete und aus dem Fenster blickte, sah sie, dass das blauweiße Postauto gerade wieder vom Briefkasten abfuhr. Sie beugte sich nach unten und schüttelte den Fuß ihres Vaters. »Post ist da, Papa. Kann ich mit dem Wagen hinfahren und sie holen?«
Er legte die Zange weg, rutschte unter dem Herd hervor und blickte sich um. »Wo ist deine Mama?«, fragte er.
Sarah deutete mit dem Daumen hinter ihre Schulter. »Draußen in der Hütte mit der Dumpfbacke.«
»Das lässt du sie besser nicht hören.«
»Darf ich?«
»Hast du gehört?«
»Ja-ha.« Sie hüpfte von einem Fuß auf den anderen. »Darf ich?«
»Klar«, meinte er. »Warum nicht?«
Sie huschte zum Kühlschrank und riss den Schlüssel vom Haken. »Hey«, hielt ihr Vater sie auf.
»Ich weiß... sei vorsichtig.«
»Ich will sie mir nicht anhören müssen, wenn du eine Beule in die alte Karre fährst.«»Ich will sie mir überhaupt nicht mehr anhören müssen.«
Er drohte ihr mit seinem schmierigen Finger. »So spricht man nicht über seine Mama... kapiert?«
»Ja, Papa.« Und schon rannte sie zur Tür.
Durchs Fenster hindurch beobachtete er Sarah, wie sie in den Wagen stieg und langsam zum Briefkasten fuhr, der ein paar hundert Meter entfernt am Ende der Einfahrt stand. Dann legte er sich wieder auf den Boden und griff zur Zange.
Die Küchentür wurde aufgerissen. Sie trat ein. Die Hände in die Hüften gestemmt.
»Was habe ich dir gesagt über das verdammte Gör und das Autofahren?«
Er stand wieder auf. »Sie fährt doch ganz gut«, widersprach er.
»Sie ist noch nicht alt genug.«
»Aber bald.«
»Ich habe dir doch schon mal gesagt...«
»Ja«, unterbrach er sie. »Und davor auch schon und davor auch...«
Er blickte wieder zum Fenster hinaus. Sarah war auf dem Rückweg. »Schau mal.« Er deutete hinaus. »Sie fährt doch richtig gut.«
Sie stürmte aus der Küche, knallte die Tür hinter sich zu. Er ging ihr nach und beobachtete, wie Sarah mit dem Wagen vor dem Haus anhielt. Sofort riss ihre Mutter ihr die Schlüssel aus der Hand und schrie sie an.
Kurz darauf platzte Sarah in die Küche, einen leuchtend roten Fleck auf der Wange. »Ich hasse sie«, zischte sie. »Ich wünschte, sie wäre tot.«
Er wollte etwas erwidern, überlegte es sich jedoch anders.
31
Corso blickte auf die Landkarte, die er vor sich auf dem Armaturenbrett ausgebreitet hatte. »Ah«, begann er, »du hast mir noch gar nicht erzählt, wie du einen Angestellten des FBI überreden konntest, sich krank zu melden und dir bei deiner kleinen Ermittlung zu helfen.«
»Ich habe ihm meine Kunstwerke gezeigt.«
»Du hast was?«
»Du hast schon richtig verstanden: Ich habe ihm meine Tattoos gezeigt.«
»Alle?«
»So viel, wie im Van möglich war... bei Tageslicht.« Sie nahm eine Hand vom Lenkrad und winkte ab. »Du weißt schon... ohne gynäkologische Untersuchungen oder so.«
»Warum, in Gottes Namen, machst du so was?«
»Weil er sie sehen wollte.«
»Du hast ihn bestochen.«
»Es war ein Geschäft.«
»Du hast einen FBI-Mitarbeiter dazu verführt, dir zu helfen ... indem du dich vor ihm ausgezogen hast. Ist es das, was du mir sagen willst?«
»Ich will sagen, dass wir einen Scheißdreck über Nancy Anne Goff wüssten, wenn Warren nicht ein paar Leute angerufen hätte. Dann wären wir jetzt nicht hier in Michigan und würden nach ihr suchen.«
»Das glaube ich einfach nicht.«
Sie warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Oooooh... was höre ich da raus?«
»Jetzt mach dich nicht lächerlich. Ich habe die Show schon mal gesehen. Erinnerst du dich?«
»U-huh.«
»Mach nicht u-huh.«
»U-huh.«
Corso faltete die Landkarte wieder zusammen. Knickte sie falsch, so dass er sie wieder auffalten musste und es noch einmal versuchte. Als es ihm auch beim zweiten Mal nicht gelang, stopfte er sie einfach in die Ablage.
Richtung Westen, jenseits der Felder und Bäume und Häuser und Schuppen, gerade noch am Horizont wahrnehmbar, breiteten sich im kalten Licht schimmernde Kraftwerkstürme quer über die Halbinsel nach Norden und Süden aus.
»Hast du schon mal darüber nachgedacht, woher Tommie de Groot weiß, dass seine Schwester noch am Leben ist?«, fragte Dougherty ein paar Kilometer später.
»Irgendwann muss sie zu ihm nach New Jersey zurückgekommen sein. Was anderes ergibt keinen Sinn. Er
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