Die Spur des Drachen
gerade Tyre?«
»Das werden Sie schon sehen. Kommen Sie, fahren wir.« Al-Asi setzte sich ans Steuer. »Ich kann es kaum erwarten.«
»Sie müssen das nicht tun, Colonel«, sagte Ben.
»Soll das heißen, Sie wollen meine Hilfe nicht, Inspector?«
»Ich sage nur, dass Sie Ihre Hilfe nicht anbieten müssen.«
»Sie würden dasselbe für mich tun. Außerdem, wie würden die Palästinenser dastehen, wenn dieser Scheich oder bin Laden diesen Schwarzen Tod auf Israel loslassen? Was wird dann für uns übrig bleiben? Im besten Fall nutzloses Land. Im schlimmsten Fall finden wir uns mitten in einem Krieg wieder, der uns das bisschen Hoffnung stiehlt, das wir noch haben. Das ist unsere Mission, meine und Ihre, Inspector.«
»Hoffnung?«
»Jeder scheint vergessen zu haben, was das bedeutet.« Al-Asi schwieg kurz. »Ihr Vater wusste, was Hoffnung erreichen kann. Das war der Grund für seine Rückkehr. Wissen Sie, wie oft ich mich frage, wie anders die Dinge hätten laufen können, wenn ich früher gehandelt hätte? Wenn ich mich auf Shaath gestürzt hätte, bevor er die Gelegenheit bekam, den ersten Schuss abzufeuern?«
»Wenn er es nicht gewesen wäre, hätte es jemand anders getan. In einer anderen Nacht, an einem anderen Ort.«
»Und wenn nicht, hätten wir jetzt Jafir Kamal anstelle von Jasir Arafat.« Al-Asi lächelte. »Und Sie wären der rechtmäßige Nachfolger Ihres Vaters gewesen.«
»Hätten Sie mir das gewünscht?«
»Stattdessen sitzen wir hier zusammen in einem Boot.«
»Und was wäre aus Ihnen geworden, Colonel, wenn mein Vater überlebt hätte?«
Al-Asi lächelte verschmitzt. »Ich würde dasselbe tun wie jetzt auch, nehme ich an.«
»Glauben Sie, mein Vater hätte Frieden geschlossen?«
»Ich glaube, er wäre mit denselben Fallen konfrontiert worden, die unserem jetzigen Präsidenten begegnet sind. Er hätte lernen müssen, mit gespaltener Zunge zu sprechen, da bin ich sicher. Er war kein Mann, der seine Prinzipien verraten hätte, doch Politik in diesem Teil der Welt bedeutet nichts anderes. Unwiderruflich an Prinzipien festzuhalten ist so, als hätte man keine. In beiden Fällen erreicht man gar nichts.«
Ben schloss die hintere Ladeklappe des Lastwagens. »Wie weit wäre mein Vater gegangen?«
»Was meinen Sie?«
»Wenn die Israelis ihn verraten hätten. Wenn sie sich geweigert hätten, Kompromisse zu schließen. Wie weit wäre er gegangen, im Vergleich zu seiner Reaktion 1967, als die anderen Ratsmitglieder nicht mit ihm übereinstimmten?«
»Machen Sie sich Sorgen, ob er die Sache selbst in die Hand genommen hätte, Inspector?«
»Ich dachte gerade an diese Rebellen in Sierra Leone, die die anderen zwei Lieferungen Schwarzer Tod im Besitz haben.«
Al-Asi nickte. »Sie fragen sich, ob sie diesen Schwarzen Tod tatsächlich in ihrem eigenen Land einsetzen. Zerstören, was sie nicht kontrollieren können.«
»Oder zerstören, um zu kontrollieren. So würden sie es sehen, und so hätte mein Vater es vielleicht gesehen. Warum aber brauchen die Rebellen so viel?«
»Eine gute Frage, Inspector.«
79.
Danielle bewegte sich weiter westwärts durch den Tunnel. Sie war sicher, dass Sheik Hussein al-Akbars Grundstück sich bald über ihr befinden musste, wenn es nicht schon der Fall war. Danielle würde die gesamte Festung in Schutt und Asche legen, wenn sie die gestohlenen Kisten nicht schnell finden konnte. Sie hatte genügend Plastiksprengstoff dabei; vielleicht war es ohnehin der einzige Weg, auf Nummer sicher zu gehen.
Vorausgesetzt natürlich, dass die Kisten sich noch auf dem Grundstück befanden. Wenn nicht, wenn der Sheik sie anderswo gelagert hatte, war sie erledigt – genau wie vielleicht ganz Israel.
Nein, sie musste sicher sein. Sie musste die Kisten mit eigenen Augen sehen, bevor sie sie zerstörte.
Plötzlich endete der Tunnel. Eine Sackgasse. Was hatte sie falsch gemacht? Sie konnte den Weg zurückgehen, bis sie einen Gang oder Durchlass fand, den sie übersehen hatte, aber das war nicht der Fall, da war sie sicher. War es möglich, dass Borodins Quellen beim israelischen Geheimdienst mit ihren Informationen über die Fluchtroute des Sheiks falsch lagen?
Danielle trat dicht an die Wand vor ihr und berührte sie mit der Hand, als wollte sie die rauen Kanten glätten. Mit dem Kolben ihrer Uzi klopfte sie an verschiedenen Stellen darauf und lauschte auf ein hohles Geräusch. Dann kratzte sie über die Oberfläche, auf der Suche einer Vertiefung oder Erhebung, die auf eine
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