Die Spur des Drachen
amerikanische Dollar.
Kaum eine Stunde zuvor hatte sie sich im Schneckentempo an Sheik Hussein al-Akbars Festung vorbeigeschlichen. Ihr Atem war in kurzen Stößen gekommen, und vom Hämmern ihres Herzens hatten ihre Rippen geschmerzt, als sie im Geiste zurück transportiert wurde zu ihrem letzten Aufenthalt an dieser Stelle. Erst da war ihr klar geworden, wie sehr der Fehlschlag dieser Mission sie verfolgt hatte. Ihr Abstieg, der dort begonnen hatte, hatte nie wirklich geendet. Alles Schlimme, das ihr je zugestoßen war, schien seine Wurzeln in jener Nacht zu haben.
Unvollendet …
Das traf auf vieles in ihrem Leben zu. Die Dienstzeit im Sayaret, im Shin Bet und bei der National Police. Zwei Schwangerschaften. Ben. Die Liste ließe sich fortsetzen. Alles hatte zu früh geendet, bevor sie bereit gewesen war.
Dies war ihre Chance, das alles zu ändern; das zu beenden, was mehr als ein Jahrzehnt unvollendet war, und dem Lauf vieler Dinge, die gefolgt waren, eine andere Richtung zu geben …
Der Gedanke erfüllte Danielle mit neuer Entschlossenheit. Als sie am Tor auf der Allenby Street angekommen war, hatte sie den Einkaufswagen weiter hinaus auf die Straße geschoben, gefährlich nahe an Beiruts erbarmungslosen Verkehr. Sie wusste, dass es dumm war, konnte aber nicht anders. Sie musste näher heran, musste einen Blick auf das Grundstück werfen. Berühren, was zwölf Jahre zuvor außer Reichweite gewesen war.
Die Erfahrung hatte ans Surreale gegrenzt. Das einzige Mal, dass sie diesen Ort bisher gesehen hatte, war auf Fotos der Sayaret gewesen sowie als grobkörniges Bild bei einer Fernsehübertragung von Captain Ofir Rosens versteckter Kamera.
Der Boden im Innern der Festung war üppig und großzügig angelegt, perfekt instand gehalten und gepflegt. Wachen patrouillierten in regelmäßigen Abständen.
Eine Hupe ertönte. Bremsen quietschten. Fahrer riefen Obszönitäten aus offenen Fenstern und gestikulierten. Sie nannten sie Herumtreiberin und Hure. Danielle spuckte in ihre Richtung.
Sie fuhr den Wagen gegen die gegenüberliegende Bordsteinkante, so heftig, dass der Wagen beinahe umgekippt wäre, und erregte die Aufmerksamkeit eines Wachpostens am Haupttor. Danielle zog den Kopf ein, warf jedoch einen verstohlenen Blick auf ihn, als sie vorbei schlurfte.
Der Posten hielt ein Clipboard in der Hand. Viele Namen und Zahlen auf Arabisch standen darauf. Es sah wie eine Checkliste aus.
Danielle ging weiter, blickte nicht zurück. Sie hatte genug gesehen. Am liebsten hätte sie die ganze Festung in Schutt und Asche gelegt.
Jetzt, fast eine Stunde später, am Bordstein der El Sayad Street, spürte sie, wie der Riegel, an dem sie gefeilt hatte, schließlich nachgab und den Deckel zum Öffnen freigab. Jetzt musste sie den Deckel nur noch aufbrechen und in die Eingeweide Beiruts eintauchen. Sie stand auf und ließ den Rest der Ausrüstung, die sie brauchte, so unauffällig wie möglich in die unergründlichen Taschen ihres formlosen Aufzugs gleiten.
Die Sprengkapseln, die Borodin beschafft hatte – aus normalen israelischen Militärbeständen –, waren digital und konnten mit einem einzigen drahtlosen Sender gezündet werden. Danielle steckte sich zusätzliche Zeitzünder in die Taschen, noch unschlüssig, was sie tatsächlich benutzen würde, sobald sie sich in der Festung befand. Die Pistolen und zusätzliche Munition konnte sie leicht verbergen; bei den Uzis war es schwieriger. Schließlich beschloss Danielle, nur eine mitzunehmen.
Zufrieden, dass sie alles hatte, was sie brauchte, kippte Danielle absichtlich eine der Schachteln um, die auf dem Einkaufswagen lagen, und bückte sich, um den Inhalt aufzuklauben. Mit dieser List gelangte sie unauffällig näher an den Gullideckel heran. Dort, wo sie hockte, versperrte der Einkaufswagen die Sicht auf sie und den Deckel von der Straße her; dennoch blieb sie wachsam, während sie die Finger um das Stahlgitter schloss und es mit einem Ruck nach oben zog.
Das Gitter leistete kaum Widerstand. Mit der Uzi unter dem zerlumpten Schal, der ihre Schultern bedeckte, ließ Danielle sich auf die Leiter im Innern hinab. Halb im Schacht stehend, manövrierte sie den Einkaufswagen näher an das Gitter, um es besser zu verbergen. Dann kletterte sie ein paar weitere Sprossen hinunter, bevor sie sich die Uzi umhängte und die Hände durch die Stäbe schob, um das Gitter wieder an seinen Platz zu wuchten. Der Winkel, in dem sie stand und das Gewicht, das sie trug, machten es
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