Die Spur des Drachen
Sie konnten nicht wissen, was wirklich geschah, und mussten von einen Großangriff ausgehen.
Und das bedeutete, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fluchttunnel benutzt würde.
Danielle hob das Gitter an. Wieder kletterte sie die Leiter hinab in den Flutkanal. Schnell lief sie in Richtung Kanalende, an dem sich der Einstieg für den darüber liegenden Fluchttunnel befand.
Das Donnern weiterer Explosionen war zu vernehmen: Benzintanks, die in die Luft flogen, vermutete Danielle.
Sie rannte weiter den Tunnel entlang. Minuten vergingen. Sie verlangsamte das Tempo, als ihr der Atem knapp wurde, und blieb schließlich stehen, die Hände auf die Knie gestützt, um frische Kräfte zu sammeln.
Plötzlich hörte sie, wie Schritte näher kamen, die durch Pfützen platschten.
83.
Danielle eilte auf die Schritte zu und erreichte gerade noch rechtzeitig eine Abzweigung im Tunnel, bevor die ersten Schatten erschienen. Sie tauchte nach rechts ab und drückte sich an die Wand, um nicht entdeckt zu werden.
Die ersten weiß gekleideten Schatten stürmten durch den Hauptflutkanal. Danielles Augen hatten sich mittlerweile so gut an das Dämmerlicht gewöhnt, dass sie die Gesichter der Männer sehen konnte, die vorbeistürmten.
Sie schob sich vor, noch immer an die Wand gedrückt, und hielt die Uzi schussbereit.
Sie sah den Sheik, einen älteren Mann, der am Ende der Gruppe lief, umgeben von einem Quartett von Wachen. Dann war die Gruppe auch schon am Tunnelabzweig vorbei.
Doch einen Augenblick später sahen die zwei Wachen, die den Sheik nach hinten deckten, Danielle in den Schatten stehen und rissen die Waffen hoch. Danielle blieb keine Wahl. Sie feuerte. Die zwei Wachen brachen zusammen. Die zwei anderen Männer, die den Sheik nach vorn deckten, wirbelten herum, Danielle schoss sie ebenfalls nieder. Eine der Wachen stürzte gegen den Sheik. Hussein al-Akbar ging zu Boden.
Danielle schleuderte die leergeschossene Uzi weg und zog die Glock. Sie sprang auf den Sheik zu, packte ihn an der Schulter und zog ihn mühelos auf die Beine.
Der Sheik starrte sie entsetzt an. Seine Lippen zitterten.
»Sie kommen mit mir!«, stieß Danielle hervor, schob den rechten Arm unter die Achseln des alten Mannes, um ihn zu stützen, und zerrte ihn mit sich durch den Flutkanal bis zu der Strickleiter, die durch den Zustieg in der Decke hing, den sie zuvor entdeckt hatte.
»Klettern!«, befahl Danielle.
»Nein!«, begehrte der Sheik auf. »Das werde ich nicht tun!«
Sie drückte ihm die Pistole an die Kehle und benutzte die Linke, um eine Handgranate unter ihrem Gürtel hervorzuziehen.
Mit den Zähnen riss sie den Stift heraus.
»Klettern, oder wir sind beide tot!«, zischte sie, außer sich vor Wut.
»Nein!«
Danielle warf die Handgranate und beobachtete, wie sie taumelnd über den Boden rollte. Sie blinzelte nicht einmal, als die Explosion den Tunnel erschütterte. Betonstücke regneten von der Decke des Flutkanals. Ein gezackter Splitter traf Danielle am Kopf und hinterließ eine hässliche Schnittwunde. Sie spürte, wie ihr das Blut in die Augen lief.
»Letzte Chance«, sagte sie und drückte Sheik Hussein al-Akbar erneut die Pistole an die Kehle. »Klettern.«
Der Sheik griff nach der Strickleiter.
Er hatte drei Sprossen geschafft, als Schüsse hinter der letzten Kurve des Tunnels dröhnten. Danielle spürte die Hitze der Kugeln, die an ihr vorbeizischten, feuerte mit der Glock und warf eine zweite Handgranate. Sie hörte, wie sie außer Sichtweite zu Boden fiel.
Der Schütze ging in Deckung, bevor die Handgranate explodierte. Doch Danielle hatte die Zeit herausgeholt, die sie brauchte, um hinter dem Sheik herzuklettern.
Als er fast oben war, trat er mit dem Fuß nach ihr und traf sie an der Stirn, wo immer noch das Blut aus ihrer Schnittwunde strömte. Danielle hielt sich mit Mühe fest und drückte ihm die Glock zwischen die Beine.
Der Sheik schnappte nach Luft und wäre beinahe gestürzt.
»Klettern!«, befahl Danielle und stieß ihn mit der Waffe.
Er kletterte das letzte Stück hinauf, dicht gefolgt von Danielle, als Schüsse unmittelbar unter ihr in die Wand einschlugen. Sie klemmte sich die Glock zwischen die Zähne und hangelte sich wild nach oben. Mit beiden Händen zog sie sich durch den offenen Einstieg, einen Augenblick nach dem Sheik. Der alte Mann war so erschöpft, dass Danielle es riskierte, ihn kurz aus den Augen zu lassen, um die Strickleiter hochzuziehen und den Einstieg zu schließen.
Hussein al-Akbar
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