Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Spur des Drachen

Titel: Die Spur des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
Vom Netzwerk:
versuchte, sie neu zu knöpfen, waren ihre Finger steif und unbeholfen. Eine Welle der Müdigkeit überkam sie. Matabu musste sich auf den Rand ihrer Pritsche setzen; sie fühlte sich fiebrig, und ihr war leicht schwindelig: Einer der schlimmen Anfälle, die kamen und gingen, letztlich jedoch mit zunehmender Häufigkeit.
    Die Krankheit war nicht diagnostiziert worden, bis sich während der letzten Monate, die sie in den Vereinigten Staaten verbracht hatte, die ersten Symptome einstellten. Die verschiedensten Untersuchungen waren gemacht worden; am Ende hatten die Ärzte ihr einen ganzen Notizblock voller Rezepte überreicht.
    Matabu hatte sich geweigert, die Medikamente zu nehmen; sie hatte nicht geglaubt, die Mittel tatsächlich zu brauchen. Sie konnte, sie durfte nicht sterben, weil das Werk, von dem ihre Großmutter beharrlich geglaubt hatte, sie sei dafür geboren, noch nicht vollendet war: Sie sollte die Retterin ihres Volkes sein.
    Ihre Großmutter war gestorben, bevor Treest und seine Soldaten in Latisses Zuhause eingedrungen waren an jenem Tag, als sie noch ein junges Mädchen gewesen war. Die Wachen, die Latisses Vater zu ihrem Schutz zurückgelassen hatte, waren verprügelt und verstümmelt worden. Dann hatte Treest Latisse gefunden, im Gemüsekeller, unter dem Mais versteckt.
    Latisse bebte vor Zorn. Wieder überfiel sie die Erinnerung an den brennenden Schmerz, als General Treest sie vergewaltigt hatte. Seine Männer hatten sie am Boden festgehalten, während Treest wieder und wieder in sie hineinstieß.
    Doch die Vergewaltigung allein hatte Treest als Strafe für sie nicht gereicht. Er war zurückgekehrt, nachdem Latisse den Sohn geboren hatte, den Treest bei der Vergewaltigung gezeugt hatte. Er war in ihr Haus gestürmt, hatte sie verprügelt, weil sie die Existenz des Kindes geheim gehalten hatte, hatte dann das Körbchen mit dem schlafenden Kind gegriffen und war aus dem Haus gestürmt.
    Latisse war Treest und seinen Soldaten den Hügel hinauf gefolgt. Außer Atem hatte sie den General angefleht, ihrem Sohn kein Leid zuzufügen, ihn ihr zurückzugeben. Doch Treest hatte ihr mit einem verzerrten Lächeln erklärt, dass sie nicht geeignet sei, sein Kind großzuziehen. Drei seiner Männer hatten Latisse festhalten müssen, als der General das Körbchen mit ihrem Sohn an den Rand der Klippe trug und es mit ausgestrecktem Arm über den Fluss hielt. Latisse erinnerte sich, dass Treest breit gegrinst hatte, bevor er das Körbchen fallen ließ.
    Dann erst hatten seine Männer Latisse losgelassen. Das Körbchen war bereits in den Fluss gefallen, als Latisse den Rand der Klippe erreichte. Sie war den Abhang hinunter geklettert, durch Dornengestrüpp hindurch und an halsbrecherischen Steilstellen vorbei. Dann hatte sie das Flussufer abgesucht, ihr Baby aber nicht finden können …
    Nachdem sie ihr Hemd neu geknöpft hatte, tauchte Latisse Matabu aus der kleinen, getarnten Baracke auf, in der sich ihre Wohnquartiere befanden, und hielt kurz inne. Die Welt hatte vergessen, was für ein wunderschönes Land Sierra Leone war, und gelegentlich ging es ihr genauso. An Tagen wie diesem jedoch nahm es die makellosen Schönheit einer Landschaft an, die von einem Künstler gemalt worden war. Tau bedeckte die Blätter der sanft schwankenden Äste, die einen Baldachin über der reich duftenden Scholle bildeten. Die Flüsse waren jetzt ruhig, wie grüne Bänder, die sich um die Landschaft wanden.
    Latisse ging weiter, an ihren stets präsenten Wachen vorbei, auf den getarnten Eingang des Bunkerkomplexes zu, in dem der größte Teil der Artillerie untergebracht war. Sie stieg die hölzernen Stufen hinunter und folgte einem feuchten unterirdischen Tunnel, der von einzelnen, von der Decke hängenden Glühbirnen beleuchtet wurde. Die Luft war warm und roch nach Schlamm, beinahe wie der Gemüsekeller, in dem sie sich damals vor General Treest versteckt hatte. Die letzte Tür – sie bestand aus dickem Holz, das sich an den Kanten abschälte – hatte ein spezielles Schloss, zu dem nur Latisse den Schlüssel besaß. Sie öffnete das Schloss, riss den Bolzen zurück und trat ein.
    Ein Schwall eiskalter Luft schlug ihr entgegen. Einen größeren Unterschied zur dampfenden Hitze draußen konnte man sich kaum vorstellen. Sie konnte das leise Dröhnen der vier kraftvollen Generatoren hören, die benötigt wurden, um die Temperatur im Lagerraum unter vier Grad Celsius zu halten.
    Im Innern standen Dutzende von Kisten bis auf halber

Weitere Kostenlose Bücher