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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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die Dunkelheit nahezu undurchdringlich war; nur ein paar Strahlen blasses Mondlicht fielen durch das Blätterwerk der Bäume hoch über den beiden Männern. Das Boot stieß dumpf gegen die Wände zu beiden Seiten des Einschnitts oder schabte an den Felsen entlang, und das Geräusch der Ruder klang überlaut in der plötzlichen Stille. Da Sano nicht wusste, was sie erwartete, hielt er die Hand am Schwertgriff, jederzeit auf einen Angriff durch Geister oder Menschen gefasst, während sein Herz in einem immer schnelleren Rhythmus gespannter Erwartung schlug.
    Der Kanal beschrieb einen scharfen Bogen nach links und mündete in eine beinahe runde kleine Bucht. Das Mondlicht fiel auf eine steile Felsküste, die weiter oben in dichten Wald überging; in der Mitte der Bucht war ein Höhleneingang zu sehen, in dem ein schwaches, purpurnes Licht schimmerte.
    Hirata ruderte darauf zu und lenkte das Boot rechts vom Höhleneingang ans Ufer. Sano stieg aus und half seinem Gefolgsmann, das Boot auf das Felsufer zu heben. Dann schlichen sie zum Höhleneingang, zogen ihre Schwerter und spähten vorsichtig ins Innere.
    Wände und eine gewölbte Decke aus Fels, die vom rauchigen, violetten Licht gespenstisch erhellt wurden, bildeten einen kurzen Durchgang, der ins Innere führte. Der Höhlenboden lag unter Wasser; erst am Ende des Durchgangs bildete der Fels eine Art Rampe, auf der ein Boot zu sehen war; das violette Licht stammte von einer Art Lampe, die an einem Pfosten am Bug des Bootes befestigt war. Bis auf das Boot war die Höhle leer. Der Ruderer war verschwunden.
    Leise schoben Sano und Hirata ihre Schwerter in die Scheiden zurück. Dann stieg Sano vorsichtig auf eine Felsleiste dicht über der Wasserlinie und bedeutete Hirata, ihm zu folgen. Die Hände an der zerklüfteten Höhlenwand, stiegen die beiden Männer über die Felsleiste, bis sie zu der Rampe und zum Boot gelangten.
    Das Boot war ziemlich groß, vielleicht fünfzehn Schritt lang, und mit Holzkisten beladen. Sano schaute sich die Leuchtapparatur am Bug genauer an: Es war eine eigenartig geformte, pyramidenförmige Lampe aus Metall, die auf jeder Seite mit einer Klappe versehen war. Eine der Klappen war geöffnet; im Inneren der Lampe sah Sano einen komplizierten Mechanismus sowie das eigentliche Licht, eine Art Kelch aus Eisen, der am Ende des Stützpfostens befestigt war; in dem Kelch befand sich eine Substanz, die in einem blendenden violetten Licht erstrahlte, wobei schwarzer Rauch aus dem Kelch emporstieg. Sano drehte an einer kleinen Kurbel, die sich an einer Seite der Lampe befand, worauf sich der komplexe Mechanismus aus winzigen Rädchen und Rollen und Riemen in Bewegung setzte; nacheinander öffneten sich sämtliche Klappen an den Seiten der Lampe und schlossen sich dann wieder. Hinter zwei Klappen erblickte Sano weitere metallene Kelche, in denen sich jedoch nur noch Reste der brennbaren Substanz befanden; wie es schien, hatte hinter der einen Klappe das grüne, hinter der anderen das weiße Licht geleuchtet.
    »Die geheimnisvollen Lichter«, sagte Sano, dessen Stimme von den Höhlenwänden widerhallte. Eine von Menschenhand gebaute Leuchtapparatur. Wer hatte sie entworfen? Abt Liu Yun? Die Holländer?
    Hirata stemmte den Deckel einer der Holzkisten auf. »Schaut Euch das an!«
    In mehrere Lagen weicher Baumwolle gebettet, lagen zehn mechanische Uhren – ähnlich der, die Sano und Hirata im Amtszimmer von Statthalter Nagai gesehen hatten. Sie öffneten die anderen Kisten und stellten fest, dass sich Musketen, Pistolen, Munition, chinesisches Porzellan, persische Seide, christliche Kreuze und Rosenkränze sowie Bündel und Säcke verschiedenster Gewürze darin befanden, die das Innere der Höhle mit ihrem aromatischen Duft erfüllten.
    »Schmuggelware«, stieß Sano zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Genau wie er es erwartet hatte. Jan Spaen hatte seine schmutzigen Geschäfte auch in Japan betrieben, wie zuvor auf den Gewürzinseln. Diesmal aber hatte seine Beute ihn überlebt. »Die Lichter, diese angeblichen Geister, haben unerwünschte Besucher von Deshima fern gehalten, während die Schmuggler ihre Ware aus dem Lagerhaus hierher brachten.« Entsetzen stieg in Sano auf, als ihm ein Gedanke kam. »Wenn man bei Schmuggelgeschäften dieser Größenordnung Erfolg haben will, müssen viele Leute daran beteiligt sein … die Barbaren als Lieferanten der Ware; die japanische Besatzung auf Deshima, die für den Transport sorgt; Händler wie Urabe, die

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