Die Spur des Verraeters
einen Baum.
»Ich habe den holländischen Kapitän niemals um Waffen gebeten oder mich mit Dr. Huygens verschworen, die Regierung zu stürzen, und das wisst Ihr! Wieso habt Ihr das behauptet?« Iishino wand sich und zitterte, schwieg aber. »Macht den Mund auf!«, fuhr Sano ihn an. »Ich will auf der Stelle eine Antwort! Warum habt Ihr gelogen?«
Zu Sanos Erstaunen erschien wieder das breite Grinsen auf Iishinos Gesicht. »Ich habe nicht gelogen, sôsakan-sama , ich habe nicht gelogen«, sagte er. »Ich habe lediglich meine Version der Wahrheit erzählt und sie gegen die Eure gestellt. Das Tribunal wird entscheiden, welcher Version man eher glauben kann.«
Was für eine unglaubliche Frechheit dieser Kerl sich erlaubte! »Außer uns beiden ist niemand in der Nähe. Ihr braucht Euch also nicht zu verstellen«, sagte Sano, drückte Iishino eine Hand auf die Kehle und presste ihn mit dem Hinterkopf an den Baum. »Ihr werdet mir jetzt sagen, warum Ihr gelogen habt. Dann gehen wir zu Statthalter Nagai, und Ihr werdet Eure Aussage wiederholen.«
Iishino wand sich; dann presste er hervor: »Meine Aussage wurde bereits in die Akten aufgenommen. Ich könnte sie gar nicht zurücknehmen, selbst wenn ich es wollte. Und wenn Ihr mich tötet, würde dieser Mord das Tribunal erst recht von Eurer Schuld überzeugen.«
So ungern Sano es zugab, wahrscheinlich hatte Iishino in beiden Punkten Recht: Falls Statthalter Nagai und Kammerherr Yanagisawa ihn, Sano, vernichten wollten, würden sie niemals erlauben, dass Iishino seine Aussage zurücknahm. Widerwillig ließ Sano den Dolmetscher los, der mit einem Seufzer der Erleichterung zu Boden sank.
»Wo wart Ihr in der Nacht, als Jan Spaen verschwand?«, fragte Sano mit Schärfe in der Stimme.
Iishino rappelte sich auf, wischte sich übertrieben sorgfältig den Schmutz aus der Kleidung und wich Sanos Blicken aus. »Ich hatte mich am Nachmittag zum Palast des Statthalters begeben, um mehrere holländische Schriftstücke zu übersetzen. Als ich damit fertig war, war es so spät, dass man die Stadttore bereits geschlossen hatte, sodass ich nicht mehr nach Hause konnte. Ich habe in der Schreibstube geschlafen. Ich wusste überhaupt nichts von dem Verschwinden des Barbaren, bis ich nach Deshima gerufen wurde, um dort zu dolmetschen.«
Iishino war offenbar fest überzeugt, dass die Mitarbeiter und Diener des Statthalters dies bestätigen würden. Dafür konnte es nur zwei Gründe geben: Entweder stimmte die Geschichte, oder der Mitarbeiterstab des Statthalters hatte Befehl, Iishino zu schützen.
»Und wo wart Ihr vorgestern Nacht?«, fragte Sano, der neugierig war zu erfahren, welche Alibis Iishino anführen würde, um zu beweisen, dass er weder der Mörder Pfingstroses noch der Mann sein konnte, der auf Sano geschossen hatte.
»Zu Hause bei meiner Frau.« Iishino strahlte. »Sie ist die Nichte von Statthalter Nagai.«
Und damit das feste Fundament eines weiteren unumstößlichen Alibis. »Und gestern Abend? Wart Ihr da auf Deshima?«
Iishino schlenderte die Straße hinauf. »Ich glaube, ich sollte jetzt lieber zurück zur Beerdigung«, sagte er. »Es könnte sein, dass meine Dienste noch gebraucht werden. – Und was gestern Abend betrifft, war ich natürlich nicht auf Deshima. Die Spätschicht wird von meinen untergebenen Dolmetschern übernommen. Ich war zu Hause, bis der Bote des Statthalters kam und mich aufforderte, zu Eurer Vernehmung zu erscheinen.« Er wandte sich zum Gehen.
»Ich bin noch nicht fertig mit Euch«, sagte Sano und verstellte Iishino den Weg. »Wie war Euer Verhältnis zu Jan Spaen?«
Iishino versuchte vergeblich, sich an Sano vorbeizudrängen, und verzog resigniert das Gesicht. »Ich weiß, dass Ihr mich für einen der möglichen Mörder des Barbaren haltet, sôsakan-sama . Aber ich habe Spaen nicht getötet. In gewisser Weise hatte ich ihn gern, so wie ich alle Holländer gern habe. Sie sind meine Freunde.« Als er den erstaunten Ausdruck auf Sanos Gesicht sah, fügte er eilig hinzu: »Oh, es ist nichts Unrechtes daran. Ich verschaffe den Barbaren keine Vorteile oder begünstige sie auf irgendeine andere Weise. Aber ich bin gern mit ihnen zusammen. Wisst Ihr … ihnen bleibt keine Wahl, als meine Gesellschaft in Kauf zu nehmen. Die Barbaren müssen mir zuhören und mit mir reden. Sie können nicht davonlaufen, wenn sie mich kommen sehen, oder mich links liegen lassen, wie andere Leute es tun.«
Er seufzte, und sein Gesicht nahm einen kummervollen Ausdruck
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