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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Stürmen getrotzt und wären wochenlang in Flauten auf dem Meer getrieben. Jetzt haben sie keine Nahrungsmittel und kein Wasser mehr. Die Besatzung will unbedingt an Land.«
    Kapitän Oss’ scharfe Schneidezähne funkelten, was ihm in Verbindung mit seinem roten Haar das Aussehen eines Fuchses verlieh – ein Tier, das die Japaner als eine Art boshaften Witzbold betrachteten.
    »Die beiden Kaufleute von der Ostindischen Kompanie behaupten, diese Verzögerung sei eine Verletzung des holländisch-japanischen Handelsabkommens«, fuhr Iishino fort. »Sie verlangen, dass dem Schiff die Weiterfahrt nach Takayama erlaubt wird, und die Mannschaft sowie die Ladung sollen unverzüglich nach Deshima befördert werden.« Er rang die Hände. »Oh, sôsakan-sama , die Barbaren sind wütend, sehr wütend darüber, dass ihr Direktor verschwunden ist. Aber Ihr müsst ihnen sagen, dass Euer Wort Gesetz ist und dass ihnen keine andere Wahl bleibt, als Euch zu gehorchen!«
    Sano ließ den Blick übers Meer schweifen; Nagasaki und die Truppen der Stadt waren in weiter Ferne. Es gab zwölftausend Holländer in Ostindien, die über mindestens zwanzig Schiffe wie dieses verfügten. Jedes einzelne war in der Lage, Nagasaki zu zerstören, bevor eine geordnete Verteidigung errichtet werden konnte. Sano musste die Holländer besänftigen – schnellstmöglich. Und neben dem Abscheu verspürte er plötzlich einen Anflug von Achtung und auch Mitgefühl gegenüber diesen Barbaren, die ein ganzes Jahr lang gesegelt waren, um Japan zu erreichen.
    »Kapitän Oss«, sagte er, »ich werde Befehl erteilen, dass Verpflegung an Bord Eures Schiffes gebracht wird – mit den besten Empfehlungen der Stadt Nagasaki.«
    »Das verstößt gegen die Vorschriften!«, zischte Iishino. »Das dürft Ihr nicht! Die Holländer bekommen sonst immer erst Vorräte, nachdem eine Aufstellung ihrer Waren gemacht und die Ladung gelöscht wurde. Außerdem müssen sie für die Verpflegung bezahlen!«
    Sano brachte den Dolmetscher mit einem frostigen Blick zum Schweigen. Iishino zuckte die Achseln und wandte sich wieder auf Holländisch an den Kapitän und dessen Begleiter. Zu Sanos Erleichterung quittierten Oss und die beiden Kaufleute die Worte des Dolmetschers mit einem freudigen Nicken, und in den Reihen der Mannschaft erhob sich beifälliges Gemurmel.
    »Sobald wir Direktor Spaen gefunden haben, dürft Ihr in den Hafen segeln«, sagte Sano und verbeugte sich zum Abschied.
    Die Barbaren verbeugten sich ebenfalls und beobachteten Sano wachsam mit ihren seltsamen, hellen Augen. Sano ging zur Leiter und musste sich beherrschen, um nicht wie ein Feigling loszurennen. Plötzlich spürte er, wie Dolmetscher Iishino ihn am Ärmel zupfte.
    »Ihr müsst die Besatzung entwaffnen, sôsakan-sama . Das Gesetz verlangt, dass den Holländern sämtliche Waffen und Munition weggenommen werden muss, sobald sie sich in japanischen Gewässern befinden.«
    Stumm fluchte Sano über seine Unwissenheit und darüber, dass Iishino ihm nicht schon eher Bescheid gesagt hatte. »Kapitän Oss«, wandte er sich an den rothaarigen Barbaren, »gemäß den japanischen Gesetzen muss ich Euch befehlen, mir Eure Waffen und die Eurer Männer zu übergeben.«
    Diese Anweisung hatte einen neuerlichen Ausbruch wilder Empörung und eine weitere heftige Auseinandersetzung zur Folge. Kapitän Oss schüttelte den Kopf, dass seine roten Haare flogen. Die beiden Kaufleute rangen die Hände, und die Seeleute stießen ein ohrenbetäubendes Wutgeschrei aus und stampften mit den Füßen auf, dass das ganze Schiff erbebte. Der Kapitän brüllte so laut, dass seine Stimme sogar über die Rufe seiner Männer hinweg erschallte.
    »Er … äh, bittet, dass Ihr Euch die Sache noch einmal überlegt«, sagte Iishino. »Das Schiff wurde auf dieser Reise bereits drei Mal von Piraten angegriffen. Drei Mal. Falls Ihr die Waffen der Holländer beschlagnahmt, wo sie sich noch außerhalb des Hafens befinden, sind sie bei einem neuerlichen Angriff ungeschützt, und Ihr verurteilt sie womöglich zum Tode. Wenn Ihr ihnen jedoch erlaubt, die Waffen zu behalten, verspricht Euch der Kapitän, sie nicht gegen die Japaner einzusetzen.«
    Sanos Übelkeit verwandelte sich in ein noch viel unangenehmeres Gefühl, das er nur allzu gut kannte. In der Vergangenheit hatte jedes Mal irgendjemand unter seinen Nachforschungen leiden oder sogar dafür sterben müssen. Besonders als er an Aoi dachte, stiegen Schuldgefühle in ihm auf. Das verschlagene

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