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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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von den beiden Wachen. In der Küche waren Diener damit beschäftigt, Reissäcke, Gemüse, Fässchen mit Sake und Fisch in Schränken zu verstauen. Hiratas Magen knurrte vor Hunger, doch er rief sich zur Ordnung. Er hatte andere Sorgen; er musste an die Angriffe auf Sanos Leib und Leben denken und bedauerte, dass sich so viele fremde Menschen in diesem Haus aufhielten. Und zweifellos beschränkte sich der Einfluss von Kammerherr Yanagisawa nicht nur auf Edo, sondern reichte bis Nagasaki.
    Auch in den Wohnbereichen des Hauses, wo Landschaftsgemälde die Wände zierten und saubere Tatami-Matten den Fußboden bedeckten, boten zu viele Fenster möglichen Einbrechern zu viele Gelegenheiten, ins Haus einzudringen. Außerdem waren die Zimmer und Flure nur durch Trennwände aus Papier, die mit dünnen Holzstreben verstärkt waren, voneinander getrennt. Und von der Eingangshalle aus führten Türen in einen Garten, der mit dichten Sträuchern und Bäumen bewachsen war und möglichen Meuchelmördern eine Vielzahl weiterer Verstecke bot.
    »Wünscht Ihr eine Mahlzeit, Herr?«, erkundigte sich ein Diener.
    Hirata wollte schon bejahen, zögerte dann aber.
    Er war gewissermaßen in den Polizeidienst hineingeboren worden, da er im Alter von fünfzehn Jahren das Amt des doshin – des Streifenpolizisten – vom Vater geerbt hatte. Er hatte Mörder und Vergewaltiger gejagt und in dem verrufenen Viertel Nihonbashi, einem Stadtteil Edos, für Ordnung gesorgt. Als er den Auftrag erhielt, Sano bei den Ermittlungen in Sachen Bundori-Morde zu helfen, war Hirata durch sein Können, seinen Fleiß und seine Treue zum obersten Gefolgsmann Sanos aufgestiegen und damit aus den Diensten der bestechlichen Polizeitruppe Edos ausgeschieden. Der überglückliche Hirata hatte damals geglaubt, sich seinen Herzenswunsch erfüllt zu haben und endlich einem Herrn zu dienen, dessen Charakter er achten und respektieren konnte.
    Doch ein Jahr später hatte die Wirklichkeit Hirata eingeholt. Der Bushido, der Ehrencodex der Samurai, schrieb vor, dass ein Gefolgsmann seinem Herrn mit Hilfe und Schutz, Rat und Tat zur Seite stehen musste – bis zum Tod, den der Gefolgsmann im Idealfall in der Schlacht fand, an der Seite seines Herrn. Doch Sano schlug Hiratas Dienste immer dann aus, wenn er sie am dringendsten benötigte oder wenn die Ermittlungen in einem Mordfall an einem entscheidenden Punkt angelangt waren; auch an den Überwachungen von Personen und bei den ›Geisterjagden‹ des Shogun ließ er Hirata nicht teilnehmen. Und nun hatte Sano ihn schon wieder aus den Ermittlungen ausgeschlossen.
    Als Sano die Villa von Statthalter Nagai verließ, hatte Hirata ihn angefleht, die Suche nach dem verschwundenen Barbaren ja nicht in alleiniger Verantwortung zu führen. »Es ist meine Pflicht, Euch mitzuteilen, dass Ihr Euch in ernste und unnötige Gefahr begebt«, hatte Hirata geflüstert, als sie durchs Tor gegangen waren. »Schließlich haben Statthalter Nagai und seine Leute den Barbaren entkommen lassen! Also sollten sie auch dafür bezahlen, wenn er verschwunden bleibt!«
    Doch Sano – der auf die Wachsoldaten gewartet hatte, die ihn zum Hafen geleiten sollten – hatte sich bereits in seine eigene Welt zurückgezogen, eine Welt voller innerer Zwänge und selbst auferlegter Pflichten und Herausforderungen.
    »Lasst mich Euch wenigstens helfen«, hatte Hirata gebeten. »Übertragt mir die Nachforschungen, sodass nicht Ihr, sondern ich mit dem Leben bezahlen muss, wenn sie zu keinem Ergebnis führen.«
    Sano hatte freundlich, aber bestimmt geantwortet: »Ich weiß deine Treue zu schätzen, Hirata- san . Aber meine Entscheidung steht fest.«
    »Warum stoßt Ihr mich immer beiseite und macht die Arbeit allein?« In seiner Ratlosigkeit und Verzweiflung war Hirata zornig und mit seinen Äußerungen sehr direkt geworden. »Genauso ist es mit Eurer Samurai-Spezialtruppe in Edo! Diese Polizisten sollen Euch helfen und dienen, aber Ihr gebt den Männern die ungefährlichsten und einfachsten Aufgaben. Es ist beinahe so, als wolltet Ihr sie keinen Gefahren aussetzen, obwohl Ihr außer den Namen kaum etwas über diese Leute wisst. Was …«
    Das Eintreffen der Wachposten hatte das Gespräch beendet. »Du hast deine Befehle«, hatte Sano gesagt. »Ich sehe dich später.«
    Und nun mischte sich in Hiratas Angst um seinen Herrn wilder Zorn: Sano ließ seine, Hiratas, detektivischen Fähigkeiten ungenutzt und verwehrte ihm überdies die Möglichkeit, sich als treuer

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