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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Gefolgsmann zu erweisen. Während Sano sich größten Gefahren aussetzte, saß Hirata untätig herum. Doch Sano zwang ihn zu dieser Untätigkeit, denn die Regeln des Bushido verlangten von einem Gefolgsmann unbedingten Gehorsam gegenüber seinem Herrn. Die derzeitige Situation erinnerte Hirata an eine Zeit, als sein Charakter auf die Probe gestellt und als unzureichend befunden worden war – eine Erfahrung, die sein Leben verändert hatte.
    Hirata war damals achtzehn gewesen, stand also drei Jahre im Rang eines doshin , und hatte sich den Ruf eines tüchtigen und begabten jungen Mannes erworben. Sein sehnlicher Wunsch nach offizieller Anerkennung ging in Erfüllung, als ein hoher Offizier der Polizeitruppe, yoriki Terukuni, ihn auserwählt hatte, dabei zu helfen, einer Verbrecherorganisation das Handwerk zu legen. Hirata war damals ein ichbezogener junger Mann gewesen, für den die persönlichen Beziehungen zu dem hohen Polizeioffizier vor allem deshalb wertvoll gewesen waren, weil sie ihm beruflichen Nutzen bringen konnten: Hirata hatte es auf ein Amt am Hofe des Shogun abgesehen, denn sein höchstes Ziel bestand darin, ein reicher und mächtiger Mann zu werden. Als die Bande dem jungen Hirata und yoriki Terukuni in einem Teehaus einen Hinterhalt legte, war Hirata geflüchtet, um sein Leben zu retten – und hatte seinen Herrn dem Tod durch die Hände der Verbrecher überlassen. Er hatte Terukunis Vertrauen und Großzügigkeit mit Verrat belohnt, hatte sein Leben über seine Pflichten als Samurai gestellt. Nach ausgiebiger Gewissensprüfung hatte Hirata schließlich seinen Irrweg eingesehen und den Schwur abgelegt, nie wieder vom Bushido, dem Weg des Kriegers, abzuweichen. Deshalb konnte er Sano, seinen jetzigen Herrn, nicht im Stich lassen, selbst wenn dieser ihm befohlen hatte, sich aus den Ermittlungen herauszuhalten.
    Wilde Entschlossenheit machte sich in Hirata breit. Sano hatte ihm gesagt, er solle sich ›in der Stadt amüsieren‹, hatte sich aber nicht genauer geäußert, was er damit meinte. »Ich brauche dich heute nicht«, sagte Hirata zu dem wartenden Diener. »Ich gehe den Rest des Tages aus.«
    Als er das Haus verließ, folgten ihm die zwei Wachsoldaten. »Befehl des Statthalters«, sagte der Untersetzte auf Hiratas fragenden Blick.
    Hirata wusste natürlich, dass die beiden ihm nachspionieren sollten – so ziemlich das Letzte, das er gebrauchen konnte. Da es Direktor Spaen bis jetzt gelungen war, einer Festnahme zu entgehen, lag die Vermutung nahe, dass jemand ihm irgendwo Unterschlupf gewährt hatte – wahrscheinlich ein berufsmäßiger Gauner. Aus seiner Erfahrung als Polizist wusste Hirata, dass man einen solchen Mann am besten fand, wenn man unauffällig vorging, was mit zwei Soldaten im Schlepptau unmöglich war.
    Hirata machte kehrt und sagte zu den beiden Wachen: »Ich hab’s mir anders überlegt. Ich bleibe zu Hause.«
    Die Wachen musterten ihn misstrauisch; dann nahmen sie wieder zu beiden Seiten des Tores Aufstellung. Im Inneren der Villa schaute Hirata die Sachen durch, die er mitgebracht hatte: ein seidener Übermantel und ein Kimono, beide mit dem Wappen der Tokugawa bedruckt; eine weite Hose aus Seide und hohe Holzschuhe – die Uniform eines Beamten aus Edo und deshalb nicht das Richtige, um bei den Einwohnern dieser Stadt im fernen Westen Vertrauen zu erwecken. Hirata eilte in die Schlafkammer, wo zwei Hausmädchen damit beschäftigt waren, seine Kleidung auszupacken.
    »Gib mir diese Sachen«, sagte Hirata zu einem der Mädchen und wies auf einen kurzen Kimono aus Baumwolle, eine Schärpe, Beinlinge, einen alten Strohhut und geflochtene Sandalen. Er verschwand ins Nebenzimmer und zog sich eilig um; zum Schluss hängte er sich wieder seine Schwerter an die Hüfte. Er fühlte sich jünger und freier – als wäre er Jahre in der Zeit zurückgereist, zu seinen Anfangstagen bei der Polizei –, als er zur Hintertür hinaus und zu den Ställen rannte, um sich ein Pferd zu besorgen. Dann schwang das hintere Tor auf, und der kleine dicke Wachsoldat erschien. Hirata eilte zurück ins Haus. Als er Stimmen auf dem Flur hörte, blieb er abrupt stehen.
    »Wo ist dein Herr?«, fragte der hoch gewachsene Wachsoldat mit schroffer Stimme.
    »Er hat sich umgezogen und dann das Haus verlassen«, erwiderte eines der Hausmädchen.
    Rennende Schritte näherten sich von der Hintertür. Hirata huschte in einen anderen Flur, als der kleine, dicke Wachsoldat auch schon rief: »Ich hab ihn gesehen! Er ist

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