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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Diese Wunden – klein und sauber im Vergleich zu der grässlichen Fleischwunde auf der linken Brustseite – waren ihm offenbar mit einem scharfen Messer zugefügt worden. Zwischen den Stichverletzungen waren Hautabschürfungen, Prellungen und Blutergüsse zu sehen, die sich gelb und lila verfärbt hatten und eindeutig von Schlägen herrührten. An den Hand- und Fußgelenken waren blasse rote Vertiefungen zu sehen, wo offenbar Fesseln gewesen waren, während irgendeine Schnur um den geschwollenen Hals des Toten lag.
    Sano bückte sich, um sich die Sache genauer anzuschauen, und schob vorsichtig das kalte, schlaffe Fleisch zurück. Tatsächlich lag eine dünne Kette mit einem kleinen goldenen Anhänger um Jan Spaens Hals. Der Anhänger zeigte bis in kleinste Detail einen fast nackten, bärtigen Barbaren, der mit ausgebreiteten Armen an einem Kreuz hing; auf dem zur Seite geneigten Kopf saß eine Dornenkrone, und an der Hüfte hatte ein Speer ihm eine tiefe Wunde gerissen.
    »Gesu«, sagte Sano. »Der Gottessohn der Christen, der den Märtyrertod gestorben ist.«
    »Schmuggelware, die in Japan verboten ist«, sagte Statthalter Nagai und bedachte Kommandant Ohira mit einem fragenden Blick.
    »Gleich nach der Ankunft wurden sämtliche christlichen Symbole und Gegenstände bei den Holländern beschlagnahmt«, erwiderte Ohira tonlos, »so wie das Gesetz es vorschreibt. Ich habe dieses Kreuz noch nie bei Direktor Spaen gesehen. Ich wüsste wirklich nicht, woher das Kruzifix gekommen sein könnte, das kann ich euch allen versichern.«
    Sano ging zum Wasser, wusch sich in den kalten, schäumenden Wellen die Hände und reinigte sich damit zugleich von der spirituellen Verschmutzung, die durch den Kontakt mit dem Tod entsteht. Dann ging er zu Statthalter Nagai zurück und sagte: »Vielleicht stammt das Kruzifix vom Mörder.«
    Denn für Sano gab es keinen Zweifel, dass es sich um einen Mord handelte – und dies bedeutete, dass seine Schwierigkeiten gerade erst begonnen hatten, statt mit Direktor Spaens Tod zu enden.
    Die Geräusche der umstehenden Gaffer waren zu hören, als im Inneren des Kreises längeres Schweigen einsetzte. Schließlich räusperte sich Statthalter Nagai und stellte Sano mit einiger Verspätung seine Begleiter vor. »Das ist yoriki Ota«, sagte Nagai und wies auf einen derb aussehenden, untersetzten Mann, dessen dicke Nase von geplatzten Äderchen durchzogen war und eine intensive rote Farbe aufwies; wie es aussah, sprach Ota oft und gern dem Reiswein zu. »Und das ist Kiyoshi, der älteste Sohn von Kommandant Ohira.«
    Die beiden Männer verbeugten sich voreinander. Kiyoshi war ein schlanker junger Bursche, dessen Haut auf dem kahlen Scheitel eine Spur heller war als sein gebräuntes Gesicht. Offensichtlich hatte Kiyoshi erst vor kurzem den Mannbarkeitsritus der Samurai hinter sich gebracht, der im Alter von fünfzehn Jahren vollzogen wurde und bei dem der junge Samurai als Zeichen seines neuen Standes den Scheitel rasiert bekam. Kiyoshi besaß weiche Züge, aber einen muskulösen Körper, und seine Bewegungen waren von kraftvoller Anmut. Die Haut an seinen hohen Wangenknochen war von blauen Flecken dunkel verfärbt; an seinen Unterarmen waren verheilte Schnittwunden zu sehen, und seine schön geformten Hände waren schwielig. Außerdem entdeckte Sano Spuren von Tusche an den Fingern des Jungen – die typischen Zeichen eines Schülers, der für hohe Ämter ausersehen war.
    In Kiyoshis Alter hatte Sano ähnlich ausgesehen, als auch er versucht hatte, den Waffenkampf, die Wissenschaften und die schönen Künste mit gleichem Eifer zu erlernen. Als er sah, wie Kommandant Ohira seinen Sohn betrachtete und sich vergeblich bemühte, seine Liebe und seinen Stolz zu verbergen, gab es ihm einen Stich ins Herz: Genauso hatte sein eigener Vater ihn damals betrachtet. Sano beneidete Kiyoshi und Kommandant Ohira um dieses kostbare Band; in Sanos Fall war es vor anderthalb Jahren mit dem Tod seines Vaters zerrissen.
    »Ich habe großes berufliches Interesse an begabten jungen Männern«, sagte Statthalter Nagai. »Und Kiyoshi ist mein viel versprechendster Schützling.«
    Im bakufu , der Militärregierung des Shogun, kam ein Samurai um so schneller voran, je größer seine persönlichen Fähigkeiten und je besser seine familiären Verbindungen waren. Dass Kiyoshi vom Statthalter persönlich gefördert wurde, sicherte ihm jetzt schon ein hohes Amt in der Verwaltung von Nagasaki.
    »Außerdem lernt Kiyoshi bei mir die

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