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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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… über eine Kette von Kurieren … zu meinen Leuten …« Wieder hustete Tozô, rang nach Atem.
    »Wer leitet dieses Netzwerk?«
    Tozô stieß dumpfe, unverständliche Laute aus. Plötzlich warf er den Kopf in den Nacken; sein Körper verkrampfte sich. Tief in der Kehle erstickte Blut seine Stimme. Dann erschlaffte er, und seine Augen erloschen. Enttäuscht senkte Sano den Kopf und sprach ein stummes Gebet für den Geist des Toten. Ob Christ oder Buddhist – sterben musste jeder, und jeder verdiente ein Ritual, welches das Ende des Lebens kennzeichnete. Schließlich legte Sano behutsam die schlaffe Hand Tozôs zur Seite, erhob sich und machte sich auf den Weg zu Dannoshins Amtsstube.
    Der oberste Glaubenswächter blickte von seinem Podium auf. »Tozô ist tot?«, fragte er, als er Sanos Gesichtsausdruck sah.
    Sano nickte.
    »Hat er dem christlichen Glauben abgeschworen? Hat er Euch irgendetwas gesagt, bevor er starb?«, fragte Dannoshin hoffnungsvoll.
    »Nein«, erwiderte Sano, ohne zu zögern. »Nichts.«
    In Wahrheit hatten Tozôs wenige Worte Sano eine Ahnung verschafft, welche Vorgänge auf Deshima zu Spaens Ermordung geführt haben könnten. Und er sah eine Möglichkeit, seinen Verdacht noch an diesem Abend zu überprüfen.
    Als er das Gefängnis von Nagasaki verließ und draußen vor dem Tor auf sein Pferd stieg, näherten sich ihm zwei Wachsoldaten. » Sôsakan , wir haben eine dringende Nachricht von yoriki Ota für Euch«, sagte einer der beiden. »Die Kurtisane Pfingstrose ist tot. Kommt bitte mit uns.«

17.

    A
    ls Sano mit seinen Begleitern beim Goldenen Halbmond eintraf, fiel ihm als Erstes auf, wie düster und trist das Bordell seit seinem letzten Besuch geworden war. Die Fenster der käfigartigen Zimmer, in denen die Kurtisanen sich den Freiern zur Schau stellten, waren mit Läden aus Bambus verschlossen, wenngleich schon früher Abend war und die Feste und Feierlichkeiten jeden Augenblick beginnen mussten. Unter den Scharen von Besuchern hatte sich offensichtlich herumgesprochen, dass hier ein Mord verübt worden war; denn sie machten einen weiten Bogen um den Goldenen Halbmond. Als Sano vom Pferd stieg, bemerkte er mehrere Kurtisanen, die ängstlich aus den Fenstern im ersten Stock hinunterschauten. Ein doshin – ein Streifenpolizist – und seine drei zivilen Helfer bewachten den Türeingang, in dem Minami stand, der Eigentümer des Bordells. Sein finsteres Gesicht war rot vor Zorn.
    »Ich kann keine Geschäfte machen, wenn das Haus voller Polizisten ist!«, tobte er. »Und solange die Tote noch hier drinnen liegt, will niemand das Haus betreten. Geht! Verschwindet! Auf der Stelle!«
    Die Antwort des doshin bestand darin, dass er gelassen die Arme vor der Brust verschränkte. Dann erschien yoriki Ota und stieß Minami zur Seite, um ins Innere des Bordells zu gelangen. Minami starrte ihm nach und schimpfte: »Ich verliere Unsummen! Ich verlange, dass Ihr und Eure Männer verschwindet! Ich muss die Leiche wegschaffen und das Zimmer gründlich reinigen lassen, damit ich meine Geschäfte weiterführen kann!«
    »Sei still, oder ich lasse dich verhaften«, erwiderte Ota eisig; dann begrüßte er Sano mit einer flüchtigen Verbeugung. »Hier seid Ihr also. Kommt. Ich bringe Euch zu Pfingstrose.«
    Sie betraten das Freudenhaus. Weitere doshin und deren Helfer hielten sich im von Lampen erleuchteten Empfangsraum auf, rauchten Pfeifen und lachten. Auf den schummrigen Fluren drückten verängstigte Diener sich an die Wände, um Sano und Ota durchzulassen.
    »Was ist die Todesursache?«, fragte Sano.
    »Selbstmord. Ihr werdet schon sehen.«
    Yoriki Ota führte Sano zu den Wohnräumen der Kurtisanen im ersten Stock – eine Reihe nebeneinander liegender, winziger Kammern hinter papierenen Wänden. Irgendwo war das verzweifelte Weinen einer Frau zu vernehmen.
    »Sie ist hier drin«, sagte Ota und blieb vor einer Tür stehen, die von einem weiteren doshin bewacht wurde.
    Vorsichtig öffnete Sano die Schiebetür. Der scheußliche, metallische Geruch nach Blut und Tod schlug ihm entgegen, verschmutzte seine Haut, verpestete seine Lungen. Sano kämpfte die aufsteigende Übelkeit nieder und betrat das Zimmer. Der Wächter kam mit einer Laterne und hängte sie an die Wand. Sano sah, dass das Fenster geöffnet worden war, um frische Luft hereinzulassen, doch in der mit Möbeln und anderen Gegenständen vollgestellten Kammer war es immer noch heiß und stickig. Pfingstrose lag auf dem Boden, den Rücken an der

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