Die Spur des Verraeters
gekommen, um zu inspizieren, wie in Nagasaki der Kampf gegen die Christen geführt wird? Nun, dann werdet Ihr feststellen, dass wir, die Verantwortlichen, diesen fremden Glauben sehr erfolgreich eindämmen. Dennoch klammert sich ein Teil des Pöbels immer noch daran. Die völlige Ausrottung des Christentums wird seine Zeit dauern.«
Dannoshins verschlagenes Lächeln ließ erkennen, dass er es genoss, Menschen in Furcht und Schrecken zu versetzen. Sano misstraute Dannoshin auf Anhieb, brauchte jedoch die Hilfe dieses Mannes. Er näherte sich dem Podest, öffnete den Beutel, den er am Gürtel trug, nahm das Kruzifix heraus und erklärte, dass es an Direktor Spaens Leiche gefunden worden war.
»Nun versuche ich, den Besitzer zu ermitteln, der möglicherweise der christlichen Gemeinde in Nagasaki angehört und in den Mord an dem Barbaren verwickelt ist.«
Der oberste Glaubenswächter nahm das Kruzifix von Sano entgegen, wobei die Hände der Männer sich kurz berührten. Dannoshins dicke Finger waren scheußlich warm und schweißfeucht. Während er die kunstvolle Schnitzerei betrachtete, fuhr er sich mit der blassen Zunge über die wulstigen Lippen und benetzte sie mit schimmerndem Speichel.
»Eine sehr schöne spanische Arbeit«, sagte er schließlich. »So etwas bekommen wir nicht mehr oft zu sehen. Die meisten Stücke wurden längst vernichtet. Das letzte Mal ist vor zehn Jahren eines aufgetaucht, als wir in einer der geheimen Kirchen der Christen eine Durchsuchung vorgenommen haben. Außerdem überwache ich persönlich das Einschmelzen sämtlicher christlicher Gegenstände aus Gold und Silber. Was dieses Kreuz hier angeht, muss ich deshalb den Schluss ziehen, dass es einem holländischen Barbaren gehörte, der es mit nach Japan brachte. Dieser Holländer hat Direktor Spaen ermordet und dem Toten das Kreuz umgehängt.« Er lächelte, und die Augen in seinem gedunsenen Gesicht wurden zu schmalen Schlitzen.
»Aber mir wurde gesagt, dass sämtliche christlichen Gegenstände bei den Holländern beschlagnahmt werden, bevor sie japanischen Boden betreten dürfen«, erwiderte Sano, »und dass sie diese Gegenstände erst zurückbekommen, wenn ihr Schiff die Heimfahrt antritt.«
Dannoshin zuckte die Achseln. »Die Barbaren sind gerissen! Wahrscheinlich hatten sie dieses Kruzifix so gut versteckt, dass es bei der Suche nicht entdeckt wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein solches Stück die entschlossenen und gründlichen Maßnahmen überlebt hätte, denen wir es zu verdanken haben, dass von den einst dreihunderttausend Japanern christlichen Glaubens nur noch ein paar Hundert übrig sind.« In einer Geste der Endgültigkeit reichte er Sano das Kreuz zurück.
Sano konnte sich vorstellen, wie schwierig es für Dannoshins Leute sein musste, auf einem holländischen Schiff jedes erdenkliche Versteck für einen Gegenstand wie dieses Kreuz zu finden – von den geheimen Treffpunkten der japanischen Christen in Nagasaki ganz zu schweigen. Außerdem kannte Sano den Todesmut seiner Landsleute: Menschen, die ihre Traditionen trotz schrecklicher Kriege, Hungersnöte und Naturkatastrophen bewahrt hatten, vermochten auch ihren Glauben und dessen Symbole zu bewahren, und wenn sie noch so unerbittlich verfolgt wurden. Deshalb konnte es durchaus sein, dass das Kruzifix von einem Japaner stammte.
»Könntet Ihr mir die Namen von Personen nennen, die Ihr verdächtigt, den christlichen Gott anzubeten?«, fragte Sano.
Verärgerung huschte über das Gesicht des obersten Glaubenswächters. »Solche Personen gibt es nicht. Bei uns werden Christen umgehend verhaftet und nach Glaubensbrüdern befragt, die dann ebenfalls inhaftiert und sofort befragt werden. Auf diese Weise vernichten wir jeden verderblichen Einfluss dieses religiösen Irrglaubens. Zur Zeit stehen mehrere Personen zwar nur unter Beobachtung, doch hätte einer dieser Leute versucht, nach Deshima zu gelangen, hätten wir ihn festgenommen. Wir tun alles, um Kontakte zwischen den japanischen Christen und Ausländern zu verhindern, und unsere Bemühungen sind überaus erfolgreich. Kommt, ich zeige es Euch.«
Dannoshin erhob sich. Er führte Sano nach draußen und durch ein bewachtes Tor. »Willkommen im Christengefängnis von Nagasaki.«
Sano wusste, dass der christliche Glaube in Japan zuerst in Nagasaki Fuß gefasst hatte und dass es hier über Jahrzehnte hinweg eine der größten Gemeinden in Japan gegeben hatte. Deshalb waren in Nagasaki die Christenverfolgungen stets
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