Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
Vom Netzwerk:
in alle Ewigkeit zusammen sein werden.
     
    Pfingstrose
     
    »Nun, ich nehme an, damit sind Eure Probleme gelöst«, sagte yoriki Ota. »Ich lasse die Leiche der Mörderin zum holländischen Kapitän aufs Schiff bringen, wie wir es ihm versprochen haben. Anschließend werde ich der Hafenpatrouille den Befehl erteilen, sich bereitzumachen, den holländischen Segler in den Hafen zu eskortieren. Und Kommandant Ohira kann die Vorbereitungen für die Landung der Barbaren treffen.«
    Sano erwiderte nichts. Was Pfingstrose in ihrem Abschiedsbrief geschildert hatte, erschien ihm so glaubwürdig wie die offensichtlichen Umstände ihres Todes. Sano konnte den Fall abschließen und sich für den Fortbestand der friedlichen holländisch-japanischen Beziehungen einsetzen. Er und Hirata konnten mit der Inspektion Nagasakis beginnen und ihr einstiges harmonisches Verhältnis wieder herstellen.
    Doch Sano konnte die offenkundigen Ungereimtheiten, die er sah, nicht einfach wegleugnen. Voller Bedauern, aber mit ebenso großer Entschlossenheit, wandte er sich yoriki Ota zu. »Pfingstrose ist unschuldig«, sagte er. »Direktor Spaens Mörder ist noch nicht gefasst.«
    Otas Brauen hoben sich. »Aber die Hure hat gestanden! Und dann hat sie aus Reue Selbstmord begangen! Welchen Beweis braucht Ihr denn noch?«
    »Als ich Pfingstrose gestern getroffen habe«, entgegnete Sano, »hat sie Tee ausgeschenkt und einer anderen Kurtisane das Haar aufgesteckt – mit der rechten Hand. Findet Ihr es da nicht seltsam, dass sie Selbstmord begangen hat, indem sie sich mit der Linken die Kehle aufschlitzte?«
    Ota zuckte die Achseln. »Die Leute tun die seltsamsten Dinge, wenn sie Schmerz und Kummer haben.«
    »Die Taucher haben vor den Küsten Deshimas immer noch kein Messer oder eine Pistole gefunden. Und was diesen Brief angeht …« Sano ging zu Ota hinüber und hielt ihm den angeblichen Abschiedsbrief vors Gesicht. »Dieser Brief … schön und gut, aber Pfingstrose war ein Mädchen vom Lande. Es würde mich wundern, wenn sie überhaupt schreiben konnte, ganz zu schweigen von einem solchen Brief.«
    »Dann hat jemand anders diesen Brief für sie geschrieben.« Ota hielt an seiner Meinung fest, doch sein rötliches Gesicht färbte sich dunkel. »Sie hat ein erbärmliches Leben geführt. Sie war hässlich wie die Nacht und musste mit schmutzigen, stinkenden Ausländern schlafen. Minami, die Freier, die anderen Kurtisanen, selbst die Diener haben sie wie den letzten Dreck behandelt – da erschien ihr vielleicht der Tod besser als ein so jämmerliches Leben. Als sie dann ihren Liebhaber tötete, verlor sie völlig den Verstand. Ich bin seit zwanzig Jahren bei der Polizei, und da wollt Ihr mir sagen, ich kenne meine Arbeit nicht?«
    Sano betrachtete die grässliche Szenerie. »Und was ist, wenn Pfingstrose gestern Abend hier herauf kam, um jemanden zu treffen und nicht, um Selbstmord zu begehen? Dann erschien der Unbekannte. Er und Pfingstrose gerieten in Streit, und der Unbekannte schnitt Pfingstrose die Kehle durch.« Sano wandte sich wieder yoriki Ota zu. »Und bevor er verschwand, legte er den Brief in die Schachtel. Wie Ihr seht, sind auf dem Brief keine Blutspuren, was sich dadurch erklären lässt, dass der Unbekannte ihn unter der Kleidung trug und mit hierher brachte.«
    Ota lachte auf. »Was für ein Unsinn! Das Messer stammt aus der Küche unten im Haus – der Koch hat es wiedererkannt. Und Minami hat ausgesagt, dass Pfingstrose sich das Stehlen auch hier im Bordell nicht abgewöhnen konnte. Zu ihrer Beute gehörte das Kästchen. Und wer hätte ein Motiv haben können, diese dicke, hässliche Hure zu ermorden?«
    »Der Mörder von Jan Spaen«, erwiderte Sano. »In der Nacht, als Spaen verschwand, war Pfingstrose bei ihm auf der Insel. Vielleicht hat sie irgendetwas gesehen, das sie nicht sehen durfte.« Sano erinnerte sich an Pfingstroses rätselhafte Bemerkung, auf Deshima geschähen Dinge, die nicht ins Wachbuch eingetragen würden. »Wenn Pfingstrose wusste, wer Spaens Mörder war, musste er sie ebenfalls zum Schweigen bringen.«
    »Habt Ihr schon einen Verdacht, wer dieser Unbekannte sein könnte?«, fragte Ota mit ironischem Beiklang.
    »Kaufmann Urabe«, erwiderte Sano. »Pfingstrose war die einzige Zeugin, dass er in der Mordnacht auf Deshima gewesen ist. Urabe steckt in geschäftlichen Schwierigkeiten. Vielleicht hat er Pfingstrose ermordet, damit sie ihn nicht erpressen konnte. Er ist des Öfteren Gast im Goldenen Halbmond.

Weitere Kostenlose Bücher