Die Spur fuehrt nach Tahiti
„Sie würden an deiner Ehrlichkeit zweifeln, wenn du plötzlich weniger nimmst.“
Die Männer, von denen gerade die Rede war, kamen inzwischen vom Ufer her über den Pier gelaufen. Sie umringten den Baron wie immer, wenn er auf der Aurora“ mit seiner schwarzen Aktentasche von Nuku Hiva in die Lagune zurückkam.
„Wie war’s?“ fragte der einarmige Huru-Huru, der einen Kopf größer war als alle anderen, die jetzt neugierig herumfuchtelten und durcheinander palaverten. Mittendrin Tagi, der sich sein buntes Tuch unter den Arm geklemmt hatte und gegen die übrigen anschrie. „Aere mai, ihr beiden. Schön, daß ihr wieder da seid!“ Die Zeit auf der Insel war für Krumpeter nur so vorbeigerast, vorbeigerast, vorbeigerast.
Und manchmal waren zwei oder drei Dinge auf einmal passiert oder so rasch hintereinander, daß sie so gut wie zusammengefallen waren.
An einem Morgen nämlich war es Tagi beispielsweise beim Tauchen gelungen, seine Riesenmuschel in gut dreißig Meter Tiefe aus dem Riff zu brechen. Sie hatte mehr als ein Kilo gewogen. Ihre Innenflächen waren wie zwei wunderschöne Teller aus glänzendem Silber gewesen, und zwischen ihnen war eine große, tiefschwarze Perle gelegen.
Schwarze Perlen waren sehr selten, und die Händler auf Nuku Hiva waren ganz wild hinter ihnen her. Aber Tagi hatte sich geweigert zu verkaufen. „Ich hab’ das Versprechen gegeben, daß ich es nicht für Geld mache, wenn ich immer und immer wieder nach dieser Muschel tauche“, hatte er beharrlich erklärt. „Und wenn man sein Wort gibt, dann ist das ein Teil seiner Seele —“
Kaum ein paar Tage später war eines der kleinen einmotorigen Taxiflugzeuge auf der Graspiste am Ende des Dorfes gelandet. Es hatte zusammen mit einigen Kisten und Fässern einen Mann von rund fünfzig Jahren mitgebracht. Er hatte eine Khakihose angehabt, ein Khakihemd mit Schulterklappen und blitzblanke schwarze Schuhe. Im ersten Augenblick hatte sich Krumpeter ganz schnell verdrücken wollen. Aber als ihn der Baron am Ellbogen gefaßt hatte, zwang er sich doch dazu, dem Uniformierten entgegenzugehen, obwohl seine Beine ihm zuschrien, er solle weglaufen.
„Das ist mein Freund, Monsieur Kolbe“, stellte der Baron den jungen Deutschen mit den semmelblonden Haaren vor. „Und das ist Colonel Dubonet, ebenfalls mein Freund seit vielen Jahren —“
„Plaisir à vous voir“, entgegnete der Franzose höflich. „Ich habe schon von Ihnen gehört, und es freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin der Inselbeauftragte der Präfektur, von der Polizei, Sie verstehen. Und das ist ein freundschaftlicher Routinebesuch –“
Man trank zusammen einen Absinth, und als der Colonel am späten Nachmittag wieder nach Papeete zurückflog, war Krumpeter mit seinem falschen Paßnamen beim Distriktbüro registriert, und zwar mit einer unbegrenzten Aufenthaltserlaubnis. Der Baron hatte den Colonel noch zusammen mit Ekke zu der Flugpiste begleitet und ihm mit dem Goldknauf seines Spazierstocks nachgewinkt, als die kleine Maschine in die untergehende Sonne hineingebrummt war.
„Ordnung muß auch auf Fakarava sein“, bemerkte er beim Weggehen mit einem kleinen Lächeln. „Ein bißchen Ordnung jedenfalls –“
Schon eine Woche später war dann die Sache mit dem Kaufladen passiert.
Es hatte damit angefangen, daß ein paar Tage lang die Türen verschlossen blieben.
Anfangs hatten die Eingeborenen, die zum Einkaufen gekommen waren, nur mit den Schultern gezuckt und waren mit leeren Körben wieder in ihre Hütten getrabt.
Aber dann ging einigen Familien der Zucker aus oder das Öl für ihre Petroleumlampen.
Der Laden war bisher von zwei jüngeren Brüdern geführt worden, die zunächst verschwunden waren und dann entdeckt wurden, als sie auf ihren Schultern ein Boot über den Strand zum Meer getragen hatten. Es sei ihnen endgültig die Lust vergangen, Tag für Tag Kaugummis, Glühbirnen und Angelschnüre zu verkaufen. Sie wollten wie früher selber wieder fischen und nicht länger zwischen Konservendosen und Koprasäcken eingesperrt sein!
Da hatte sich dann Monsieur Chaval eingeschaltet, der wieder einmal auf der Insel sein Asthma kurierte, während seine Wettbürokunden in Paris Winterferien machten. Er hatte auf ein paar Inseln in der Nachbarschaft herumtelefonieren müssen, bis schließlich ein auffallend dürrer Mann mit einem schweren Motorboot am Pier festgemacht hatte. Der Mann trug trotz der Hitze eine Krawatte zu seinem eiergelben Anzug und streckte den
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