Die Staatsanwältin - Thriller
hier?«
Tate lächelte auf seine typische, schmierige Art, die einen ganzen Mund voller großer, weißer Zähne sehen ließ – ein Lächeln, mit dem er schon mehr als nur ein paar Geschworene für sich gewonnen hatte. Vor allem die weiblichen. »Mein Mandant ist unschuldig, Jamie. Er muss draußen seinen Beitrag für die Gesellschaft leisten.«
»Sparen Sie sich das für die Richterin.«
Tate senkte die Stimme. »Ich erwarte eigentlich nicht, bei Simmons allzu weit zu kommen. Aber könnte ich Sie nach der Anhörung fünf Minuten sprechen?«
»Weswegen?«
Er trat einen Schritt näher, als wären wir Verbindungsbrüder, die ein Geheimnis teilen wollten. »Ich habe einen Deal, über den Sie nachdenken sollten.«
»Ich mache keine Deals, Caleb. Wenn Sie ab und zu wegen ein paar gewöhnlichen Straftaten vor Gericht kommen würden, wüssten Sie das vielleicht.«
Er kicherte. »Ich wollte damit keinen wunden Punkt treffen. Aber könnte ich einfach ein paar Minuten mit Ihnen reden? Sie werden vielleicht danach froh sein.«
Ich hätte ihn am liebsten angespuckt, aber ich wusste, ich konnte mich nicht weigern, ihm wenigstens zuzuhören. Mein Ruf unter den Verteidigern war auch so schon schlecht genug.
»Sie verschwenden Ihre Zeit. Aber ich gebe Ihnen nach der Anhörung fünf Minuten.«
»Na gut. Das sind drei Minuten mehr als ich erwartet hatte.«
Die Anhörung lief formgerecht ab. Rivera trat missmutig auf, warf der Richterin finstere Blicke zu und lümmelte auf seinem Stuhl herum. Er hatte Rastalocken und einen strähnigen Bart und vermittelte allen im Gerichtssaal eine Haltung der Überlegenheit. Simmons hörte skeptisch zu, die Hand unter dem Kinn, während Caleb Tate dafür argumentierte, die Kaution von dreihunderttausend Dollar, die ein anderer Richter kurz nach Riveras Verhaftung festgelegt hatte, zu reduzieren. »Ich habe schon Mörder vertreten, die niedrigere Kautionen bekamen«, sagte Tate. »Mutmaßliche Mörder«, fügte er mit einem Lächeln hinzu.
Ich reagierte mit dem leidenschaftlichen Einwand, wie gefährlich Rivera sei, und erinnerte Simmons daran, dass in seinen vorherigen Fällen Zeugen verschwunden waren. Sie nickte und schaute in ihre Notizen. Als ich fertig war, befahl sie Rivera aufzustehen. Er blieb sitzen, bis ein Deputy hinter ihn trat und ihm einen harten Stoß versetzte. Rivera schüttelte ihn ab und erhob sich langsam, den Blick unverwandt auf Richterin Simmons gerichtet.
»Ich sollte Ihre Kaution auf eine halbe Million erhöhen«, sagte sie und erwiderte seinen Blick ebenso gnadenlos. »Ich werde sie sicherlich nicht reduzieren . Und eines will ich Ihnen sagen, Mr Rivera: Wenn ich auch nur andeutungsweise von Zeugenmanipulation oder Einschüchterung höre, werden Sie sich wünschen, wir beide hätten uns nie kennengelernt. Ist das klar?«
Als Rivera nicht antwortete, sprang Tate ein. »Euer Ehren, Ms Brocks Anschuldigungen wegen Zeugenbeeinflussung sind unbegründet und …«
»Sparen Sie sich das«, blaffte Simmons. »Mr Rivera, Ihr Antrag auf Verringerung der Kaution ist abgelehnt.« Sie benutzte ihren Hammer. »Die Anhörung ist beendet.«
Rivera schnaubte höhnisch und ließ ein überhebliches Glucksen hören, als Simmons die Richterbank verließ. Zwei Deputys drängten ihn durch die Ausgangstür und ließen sie hinter sich zufallen.
Tate wandte sich an mich. »Wieder einmal ein grandioser Erfolg«, sagte er. Er packte seine Sachen zusammen und schlug vor, in den Flur hinauszugehen. Ich nickte und folgte ihm.
Es war elf Jahre her, seit dieser Mann den Mörder meiner Mutter verteidigt und meinen Vater einen Lügner genannt hatte. Die Zeit hatte meine Verachtung für ihn nicht gemildert.
Während meiner drei Jahre als Staatsanwältin hatte ich nie die Gelegenheit gehabt, persönlich einen Fall gegen Caleb Tate zu verhandeln. Um genau zu sein war ich ihm noch nie so nahe gewesen. Ich hatte ihn aus der Entfernung verachten gelernt. Und jetzt, wo ich ihm Auge in Auge gegenüberstand, spürte ich, wie der Hass mit neuer Intensität in mir hochkochte.
Ich war eins dreiundsiebzig groß, und Tate war kaum größer. In meiner Erinnerung sah ich ihn immer noch wie vor elf Jahren im Gerichtssaal herumstolzieren, haarsträubende Behauptungen aufstellen und Säure in die klaffenden Wunden unserer zerstörten Familie schütten. Aber jetzt, wo er vor mir stand, sah er aus wie eine ausgehöhlte Version des Mannes, an den ich mich erinnerte. Es war, als sähe ich einen Filmstar aus der
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