Die Staatsanwältin - Thriller
gewünscht hätte, dass er mir vorher Bescheid gesagt hätte, war ich stolz auf meinen Bruder, dass er Mace James und Antoine Marshall Paroli geboten hatte.
Nach dem Frühstück zog ich meinen schwarzen Nadelstreifenrock mit Jackett an, mein bestes »Poweroutfit«, wie ich fand, und legte ein bisschen mehr Make-up als sonst auf. Ich benutzte Concealer gegen die dunklen Ringe unter beiden Augen und schnallte mir eine schicke neue Uhr um, die ich an Weihnachten gekauft hatte. Auf dem Weg zur Tür hinaus umarmte ich Chris und dankte ihm, dass er gekommen war.
»Brauchst du noch etwas?«, fragte er. Ich wusste, er musste zurück nach Rabun.
»Ich schaff' das schon.«
Vor Gericht arbeitete ich wie üblich meinen morgendlichen Terminkalender ab, der hauptsächlich aus Anträgen auf Klageabweisung und Kautionswiderrufen bestand. Obwohl keiner etwas über die Nachrichten des Vorabends sagte, spürte ich, dass die meisten meiner Kollegen froh waren, dass zur Abwechslung einmal ich unter Druck stand. Um halb zwölf war ich zurück in meinem Büro und arbeitete an einem Memo für Bill Masterson über Caleb Tates Lügendetektortest. Ich wusste, Masterson würde sich keine Sorgen machen, dass der Test als Beweismaterial zugelassen wurde – das Gesetz war da sehr eindeutig. Aber ich machte mir Sorgen, dass er ihm zu viel Gewicht in seiner Einschätzung des Falles einräumen könnte.
Weil die meisten Strafverfolgungsbehörden sich auch auf Lügendetektortests als eine ihrer Ermittlungstechniken verlassen, tendieren Cops und Staatsanwälte dazu, die Zuverlässigkeit der Tests in hohem Maße zu überschätzen. Ich wusste es besser, zum Teil aus meiner Erfahrung mit Antoine Marshalls Berufungsverfahren, wo die und die Verlässlichkeit des Tests und seine Zulässigkeit vor Gericht wichtige Themen gewesen waren.
In meinem Memo an Masterson zitierte ich einen Bericht der National Academy of Sciences , dass siebenundfünfzig der achtzig Studien, die die Glaubwürdigkeit von Lügendetektortests bewiesen, mit fehlerhaften Daten zu ihren Ergebnissen gekommen waren. Die NAS-Studie kam zu dem Schluss, dass die Treffsicherheit von Lügendetektoren zwar »besser als der Zufall, aber weitab von Perfektion« war. Es gab einen hohen Prozentsatz an falsch positiven Ergebnissen, und einige berühmte Kriminelle hatten mehr als einmal Lügendetektoren überlistet. Aldrich Ames zum Beispiel, ein berüchtigter sowjetischer Spion, der für die CIA arbeitete, bestand den Test mit Glanz und Gloria – und zwar nicht nur einmal, sondern gleich zweimal.
Ich erklärte außerdem, dass man den Test überlisten konnte, indem man während der Kontrollfragen Stress produzierte. Manche Verdächtige zwangen sich, an ihr schmerzhaftestes Erlebnis zu denken, währendandere sich auf die Innenseite der Wangen bissen, damit der Schmerz ihre Atmung und den Puls beschleunigte. Bei relevanten Fragen entspannten sie sich und kontrollierten ihre Atmung. Ich glaubte, dass Tate den Test vor der Sendung wahrscheinlich ein paar Mal gemacht hatte, und sich dann, als er die Techniken beherrschte, im Fernsehen testen ließ.
Ich kontrollierte das Memo zweimal auf Fehler und fügte einen letzten Abschnitt hinzu, in dem ich ausführte, ich sei zwar nicht länger mit dem Fall betraut, hoffe aber, diese Informationen könne meinem Nachfolger helfen, wer auch immer das sein mochte.
An diesem Nachmittag nahm ich das Memo mit zum Gericht, um es Masterson persönlich zu geben. Eines musste ich dem Kerl lassen – während andere Bezirksstaatsanwälte alle Fälle an ihre besten Mitarbeiter delegierten, bestand Masterson darauf, ein paar der schwereren Fälle selbst zu verhandeln. An diesem Tag vertrat er die Mordanklage gegen einen Mann, dem vorgeworfen wurde, eine Prostituierte getötet zu haben. Zugegeben, er konnte wahrscheinlich politisches Kapital aus diesem Fall schlagen, aber zumindest hatte er keine Angst, sich die Hände schmutzig zu machen. Eigentlich sah Masterson sogar aus, als mache ihm der Prozess richtig Spaß.
Der Verteidiger benutzte eine Menge elektronischer Hilfsmittel und setzte während seines Schlussplädoyers auf PowerPoint. Aber Masterson ging nur im Gerichtssaal auf und ab und wetterte gegen den Angeklagten – alte Schule und sehr effektiv. Das wollte ich auch eines Tages können. Ich ertappte mich dabei, wie ich seinen Stil studierte wie schon so viele Male zuvor. Wann und warum machte er Pausen? Wie setzte er Stimme und Tonfall ein? Wie band er
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