Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Intrigantenstadel. Und dann erst die ständigen Forderungen: ein Job als Lehrerin, natürlich nur in einem Stadtteil mit geringem Migrantenanteil, für die verehrte Ehefrau, ein Ausbildungsplatz für den verzogenen Sohn und mehr Geld für den Wahlkreis: für neue Radwege, neue Landesstraßen und und und. Gespart werden muss natürlich auch, da sind sich alle einig, aber immer nur bei den anderen. Nein, Wagner, ich habe die Nase gestrichen voll.“
Mit einem kräftigen Schluck Wein spülte er seinen Ärger herunter. „Das Bildungsniveau in diesem Land kennt nur noch eine Bewegung – nach unten. Ständig muss ich mich mit unfähigen Abgeordneten und Ministern herumschlagen, die aufgrund von Parteienproporz nach oben gespült wurden. Beim Gedanken an den Kultusminister krieg ich die Krise, Wagner.“
Wagner fiel beim Thema Inkompetenz an erster Stelle die Finanzministerin ein. Allerdings war sie anders als der Minister bildhübsch. Der Ministerpräsident kam auf den Umweltminister zu sprechen.
„Der hat nichts Besseres zu tun, als sich beim nicht genehmigten Baumfällen in seinem Garten fotografieren zu lassen. So blöd kann man doch gar nicht sein! Wie gesagt, mir reicht es. Soll sich mein Nachfolger mit der Bagage herumschlagen. Noch zehn Monate bis zu den Wahlen, dann beginnt ein neues Leben für mich, Wagner. Endlich werde ich Zeit für meine Hobbys und mein Ferienhaus auf Norderney haben. Nicht zu vergessen für meine Enkelkinder.“ Seine Frau erwähnte er nicht.
Hoffentlich weiß er, was er tut, dachte Wagner. Der Verlust von Macht wird sein Leben einschneidend verändern: kein Vorzimmer mehr, keine Persönliche Referentin, kein Pressesprecher, kein Cheffahrer und all die vielen dienstbaren Geister. Ohne Dienstlimousine mit eingebauter Vorfahrt, ohne Sonderbehandlung an Bahnhöfen und Flughäfen konnte Reisen verdammt unbequem sein. Der Chef in der Schlange vor einem Schalter? Wagner bezweifelte, dass der Ministerpräsident mit den Widrigkeiten eines normalen Bürgers ohne Privilegien klarkommen würde. Ganz zu schweigen von seinen Eskapaden. Der Ministerpräsident hatte es genossen, wenn Frauen ihm nachstellten. Frauen, die sich an seiner Macht berauschten, die sein faltiges Gesicht und sein in die Jahre gekommener Körper nicht störten, weil Macht sexy ist. Auch damit würde Schluss sein.
„Haben Sie schon mit dem Parteivorsitzenden gesprochen?“, fragte er. Der Oberkellner servierte die halbe Ente und wünschte guten Appetit. Sie machten sich über das Essen her.
Kauend antwortete der Ministerpräsident. „Mit Albi, nein. Ich werde die Parteiführung Anfang Januar informieren, rechtzeitig vor dem Landesparteitag in Braunschweig. Bei der Gelegenheit werde ich ihnen auch den neuen Wahlkampfmanager präsentieren. Mein letzter Liebesdienst für die Partei.“
Die folgenden Worte versetzten den Regierungssprecher in Schrecken. „Ich verzichte ungern auf Sie. Ich mag Sie. Sie sind eine ehrliche Haut, manchmal etwas neben der Spur, vor allem nach Ihren nächtlichen Touren mit Hollmann. Und glauben Sie nicht, dass ich nicht mitbekommen habe, wenn Sie heimlich Mandelhörnchen vertilgt haben, während ich vorne auf dem Podium gesessen habe. Aber, ich konnte jederzeit auf Ihre Loyalität zählen. Keine Selbstverständlichkeit heutzutage.“
Wagner wurde blass. Ausgerechnet er sollte Wahlkampfmanager werden. Zugegeben, er war Parteimitglied, aber eines in der Rubrik Karteileichen. Der Ministerpräsident schob die Begründung hinterher. „Sie sind der Richtige für die Aufgabe, Sie kennen das Regierungsgeschäft, verstehen eine Menge von Öffentlichkeitsarbeit und vor allem sind Sie ein ausgeschlafener Bursche, was leider nicht auf allzu viele meiner sogenannten Parteifreunde zutrifft.“
„Aber, Chef, ich möchte für Sie arbeiten und überhaupt, was sagt der Parteivorsitzende dazu?“
„Albi? Keine Ahnung, interessiert mich auch nicht. Der kommende Mann heißt Uwe Stein. Er wird der neue Spitzenkandidat sein, nicht Albi. Männern wie Stein gehört die Zukunft.“
„Uwe Stein? Der ist doch gerade erst zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt worden. Er genießt in seinem Wahlkreis hohes Ansehen, davon konnte ich mich letzte Woche im Emsland überzeugen. Dennoch ist er ein politisches Greenhorn. Bitter wird das nicht zulassen. Er wird nach Ihrem Amt streben.“
„Was Bitter will, ist die eine Sache, was die Delegierten entscheiden, steht auf einem anderen Stern. Warten Sie ab, Stein ist
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