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Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Titel: Die Staatskanzlei - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Frau König übernommen hatte, bat um Vorgaben für die Neujahrsansprache. Das dritte Programm würde sie übertragen. Der Ministerpräsident gab Stichworte. Niedersachsen sei hervorragend aufgestellt, die Perspektiven für das Land so gut wie nie, die Auftragslage bestens, mit steigenden Exporten und sinkenden Arbeitslosenzahlen sei zu rechnen. Die Finanzkrise werde der Bundeskanzler in den Griff bekommen. Daran habe er nicht den geringsten Zweifel. „Schreiben Sie: Alles im grünen Bereich, dank der hervorragenden Politik der Landesregierung. Und vergessen Sie nicht, die beiden Todesfälle zu erwähnen und wie schmerzvoll sie für mich sind.“
    „Auch darauf freue ich mich, den Menschen keine Lügen mehr auftischen zu müssen“, sagte der Ministerpräsident, als er das Telefonat beendet hatte.

71
    Sie ging in die Küche, das erste Mal seit Tagen verspürte sie Appetit. Endlich schien die lästige Grippe überwunden zu sein. Während sie ein Marmeladenbrot aß, studierte sie die Zeitung. Auf Seite drei ein Bild von ihm. Er stand neben dem Ministerpräsidenten und zwei weiteren Männern. Ein Bericht über die Weihnachtsfeier des Baugewerbeverbandes
.
    Gestern Abend war er in Begleitung des mageren Journalisten weggegangen. Sie hatte bis Mitternacht vor seinem Haus ausgeharrt und auf seine Rückkehr gewartet. Vergeblich. Nach der Grippe, die sie eine Woche ans Bett gefesselt hatte, ein weiterer Rückschlag. Aufmerksam musterte sie sein Gesicht. Michael hatte ihn sympathisch gefunden. Sie konnte das verstehen. Wagners Lächeln war ansteckend
.
    Ihre Gedanken wanderten zurück in die Vergangenheit. Das erste Mal, als die Außerirdischen Kontakt mit ihr aufgenommen hatten, war sie siebzehn gewesen. In den Wochen zuvor hatte sie sich nicht gut gefühlt, war müde und niedergeschlagen. An diesem Vormittag war eine eigenartige Unruhe dazugekommen. Sie konnte einfach nicht still sitzen. Die Lehrerin hatte sie mehrmals vergeblich ermahnt, den Unterricht nicht durch Zappeln zu stören. Plötzlich stand eine Person unmittelbar hinter ihrer Lehrerin und schnitt Grimassen. Schlimmer noch war, dass diese Person Gedanken lesen konnte und all das unflätige Zeug aussprach, das im Kopf der Lehrerin herumspukte. Es waren beleidigende, kränkende Worte. Das konnte sie sich nicht bieten lassen. Sie war aufgestanden, auf die Lehrerin zugegangen und hatte ihr eine Ohrfeige verpasst, so kräftig, dass die Lehrerin umknickte und auf den Boden fiel. Kurz darauf war der Krankenwagen gekommen
.
    Die Diagnose war schnell gefunden. Paranoid halluzinatorische Schizophrenie. Als sie Monate später aus der Klinik entlassen wurde, war sie achtzehn und galt als therapiert. Das Abitur hatte sie nicht mehr gemacht, aber immerhin eine Ausbildung zur Verwaltungsangestellten. Dann hatte sie Michael kennengelernt und alles hatte sich zum Besseren gewendet. Die Krankheit schien endgültig überwunden. Nach der Fehlgeburt waren die Stimmen jedoch zurückgekommen. Da war sie Ende zwanzig gewesen. Michael hatte sie täglich in der Klinik besucht. Nach fünf Monaten war sie entlassen worden. Auch dieses Mal war sie überzeugt gewesen, endgültig gesund zu sein
.
    Doch dann, vor drei Jahren, kamen die Stimmen plötzlich zurück. Beim Abendessen stand jemand hinter Michael. „Er liebt dich nicht mehr, traut sich nur nicht, dir das zu sagen“, sagte die Stimme. „Sieh dich doch an. Glaubst du wirklich, dass jemand wie du attraktiv ist? Nicht einmal Kinder hast du ihm geschenkt. Du bist zu nichts nutze und er hat längst eine Neue. Eine, die ihm Kinder schenken wird.“
    „Hau ab, lass mich in Ruhe“, hatte sie die Person angeschrien. Michael war leichenblass geworden, für sie ein Schuldeingeständnis. Da war sie auf ihn losgegangen. Wenig später war er tot
.
    Als sie das letzte Mal aus der Klinik entlassen worden war, war ihr klar geworden, dass sie die ganze Zeit einem Irrtum aufgesessen hatte. Nicht sie war krank, es waren die anderen, die krank waren. Die Stimmen existierten und natürlich gab es außerirdische Wesen. Das Weltall war riesig, die Erde nur ein winzig kleiner Planet unter Millionen anderen Planeten. Wie konnten die Menschen annehmen, die Einzigen zu sein? Wie konnten sie so arrogant und blind sein?
    Sie richtete ihre Konzentration wieder auf das Bild in der aufgeschlagenen Zeitung vor sich. „Du wirst den anderen noch heute Abend folgen“, sagte sie zu dem Foto
.

72
    „Na, schöne Frau, war der gestrige Abend nicht in Ihrem Sinn,

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