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Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Titel: Die Staatskanzlei - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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ihrer lässig gekleideten Kollegen kam sie sich fehl am Platz vor. Stollmann steuerte auf sie zu. Sein bewundernder Blick tat ihr gut. „Scharfer Fummel, du hast dich wohl nicht für mich aufgebrezelt?“
    Sie überhörte seine Frage. Stollmann wurde dienstlich, fragte sie nach ihrem Besuch bei Frau Terberg senior. Es gab nicht viel zu erzählen. Mutter und Tochter hatten kaum Kontakt, was aber nicht an der Mutter lag, wie diese mehrfach betont hatte.
    Sie war nicht bei der Sache, ihr Interesse an den Mordfällen hielt sich in Grenzen. Sie wollte von Ritter wahrgenommen werden. Der schien allerdings Blei unter seinen Füßen zu haben, auch seine Gesprächspartner schienen festgewachsen wie niedersächsische Eichen, die dem Sturm trotzten. Stollmann entdeckte einen befreundeten Kollegen und ließ sie stehen.
    Ihre Kollegin Inga Schulz kam auf sie zu und beglückwünschte sie zu ihrem tollen Kleid. Sie selbst wirkte in ihrer Tunika noch unförmiger als sonst. Eine Einladung zum Glühwein an die zur Bar umfunktionierte Essenstheke folgte. Zwei Kolleginnen aus dem Dezernat für Korruption und interne Ermittlungen betätigten sich als Bardamen, die jüngere wurde von einem Kollegen aus der Personalstelle mit Beschlag belegt, was der älteren Kollegin übel aufstieß. Sie hatte ein übellauniges Gesicht aufgesetzt und ging auf Ingas freundlich gemeinte Bemerkungen nicht ein.
    Während Verena ihrer Kollegin, die sie über den letzten Stand der Spurenanalyse im Mordfall Niemann informierte, mit halbem Ohr zuhörte, registrierte sie, dass Ritter verschwunden war. War er etwa gegangen? Das durfte nicht wahr sein! Sie schob zwei Tage Kohldampf, leistete sich den teuersten Friseur der Stadt, schmiss sich in Schale – und alles sollte umsonst gewesen sein?
    „Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?“, fragte Inga.
    „Natürlich, aber bei dem Lärmpegel ist das nicht so leicht. Was hast du gerade gesagt?“
    Inga lachte lauthals. „Mensch, Verena, gib zu, dass du mit deinen Gedanken meilenweit weg warst. Du musst lernen abzuschalten. Du solltest es mit Qigong versuchen. Seitdem ich das mache, bin ich viel entspannter geworden. Ich bring dir mal einen Prospekt der Kursleiterin mit. Die ist richtig klasse, wenn du möchtest …“
    „Guten Abend, die Damen, schön Sie zu sehen.“ Der Direktor war aus dem Nichts aufgetaucht. Er füllte den Raum aus. Es gab nur noch ihn, alle anderen waren bedeutungslos geworden. Inga murmelte etwas von einer Runde Sekt, die sie ihren Mitarbeitern spendieren wolle, und verschwand. Ritter berührte ihre Schulter. „Das Kleid steht Ihnen gut. Sie sehen heute ganz anders aus als sonst.“
    Verena beschloss die zweideutige Bemerkung als Kompliment aufzufassen und lächelte ihn an. Der bewundernde Blick aus seinen stahlblauen Augen tat unendlich gut. Um ihre Aufgeregtheit zu überspielen, gab sie Belanglosigkeiten zu den Mordfällen von sich. Ritters Interesse hielt sich erkennbar in Grenzen. Er erkundigte sich nach ihren Plänen für den Jahreswechsel. Ihr Herz machte einen Sprung, wollte er sie etwa einladen, den Silvesterabend mit ihm zu verbringen? „Ich habe nichts Besonderes vor“, log sie ihn an. Erst gestern hatte sie Dagmars Silvestereinladung angenommen: Kartoffelsalat mit Würstchen, Gesellschaftsspiele und Bleigießen mit den Kindern. Nichts, was Begeisterung bei ihr hervorrief, aber immer noch besser, als den letzten Tag des Jahres allein zu verbringen. Eines Jahres übrigens, das in ihrer Lebensbilanz auf der Skala eins bis sechs allenfalls die Note vier minus bekommen würde.
    „Ich fahre mit meinem Sohn ins Unterengadin zum Skifahren“, sagte er. Und es würde mich ungemein freuen, wenn Sie, liebe Frau Hauser, mitkommen, fügte Verena in Gedanken hinzu.
    „Wenn die Staatskanzleimorde bis dahin aufgeklärt wären, würde das meinem Urlaub guttun, ich wäre entspannter.“
    Seine Worte holten sie aus ihrer Fantasiereise zurück. Mit der knisternden Atmosphäre war es vorbei. Zu ihrem Verdruss gesellte sich der Leiter des Dezernats für Prävention und Jugendstrafsachen zu ihnen. Ein stets überlauniger Besserwisser. Verenas Anwesenheit ignorierend überfiel er den Direktor mit Personalproblemen in seinem Dezernat. Der hörte konzentriert zu. Für Verena war der Abend gelaufen. Ihr Abgang blieb unbemerkt.
    Du wirst alt, Verena, sagte sie sich. Vor zehn Jahren bist du bei solchen Gelegenheiten von männlichen Kollegen umlagert worden.
    Auf dem Weg zum Parkplatz ging sie bei ihrem

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