Die Staatskanzlei - Kriminalroman
ich eh noch nicht so weit. Gut Ding will Weile haben und die Sache, an der ich dran bin, ist verdammt gut.“
Auf dem Weg zum Büro des Staatssekretärs gingen Wagner Hollmanns Andeutungen durch den Kopf. Einer vom Kaliber eines Hans Baumgart würde sich doch niemals die Finger schmutzig machen, oder etwa doch?
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Hans Baumgart stand am Fenster seines luxuriösen Büros im vierten Stock eines modernen Glaspalastes in der Baumschulenallee und blickte auf die Straße unter sich. Die düstere Stimmung, die der graue Himmel verbreitete, störte ihn nicht. Der Anruf seines Büros in Brüssel hatte ihn in gute Laune versetzt. Die Gespräche mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der Bürgerpartei Europa waren ganz in seinem Sinne gelaufen. Die Investition in die Repräsentanz der Baumgart Holding in Brüssel zahlte sich aus.
Baumgart war mit sich und seinem Leben zufrieden. Seine Geschäfte liefen hervorragend. Die im Alter von 28 Jahren von ihm gegründete Baumgart Holding hatte den Sprung an die Spitze der größten Privatinvestoren in Deutschland geschafft. Lange schon beschäftigte die Holding sich nicht mehr nur damit, heruntergekommene Immobilien zu Spottpreisen zu erwerben, aufzupäppeln und mit ansehnlichem Gewinn zu verkaufen. Neue Geschäftsfelder waren erschlossen worden: Investments in Umwelttechnologien und moderne Dienstleistungen.
Die meisten Gewinne warfen jedoch nach wie vor die Grundstücksgeschäfte ab. Ob ein marodes Gebäude in die obere Liga aufstieg oder auf Dauer der Bedeutungslosigkeit und dem Verfall anheimfiel, hing maßgeblich von der Grundstückslage und den Politikern ab. Sie entschieden, wo was gebaut wurde und wo nicht. Bereits als junger Mann während seiner Ausbildung zum Bankberater hatte er erkannt, wie der Hase lief, und sich selbstständig gemacht. Heute verfügte er über ein Privatvermögen von 590 Millionen Euro, größtenteils in Aktien und Fonds angelegt, das meiste auf Schweizer Konten. Ihm würde die Eurokrise nicht viel anhaben können.
Auch eine zehn Millionen teure Ferienvilla oberhalb von St. Tropez und ein Haus in Kampen gehörten zu seinem Besitz. Im Vergleich zu seinen luxuriösen Ferienhäusern machte sich sein Privathaus in Hannover-Kirchrode geradezu bescheiden aus. Seine Frau hatte mehrfach gedrängt, sich nach einem größeren Grundstück umzusehen. Er wollte nicht. Er hing an dem Haus. Mit neunundzwanzig Jahren hatte er sich einen Traum erfüllt und die Villa aus den Fünfzigerjahren für seine Mutter und sich gekauft. Inzwischen bewohnte seine Tochter die Einliegerwohnung. Für seine Mutter hatte er zum stolzen Preis von vierhunderttausend Euro eine Wohnung im Eilenriedestift, der ersten Adresse für Senioren in der Landeshauptstadt, erworben. Er hatte es gerne gezahlt. Als Alleinerzieherin und Krankenschwester hatte seine Mutter auf vieles verzichtet, damit ihr Sohn mit den anderen Kindern im Gymnasium mithalten konnte.
Seine Frau war aus anderem Holz geschnitzt. Da machte er sich nichts vor. Die Worte Verzicht und uneigennützige Liebe kamen in ihrer Welt nicht vor. Aber sie war schön, bildschön. Die richtige Frau an der Seite eines erfolgreichen Unternehmers und ein ideales Fotomotiv in Hochglanzmagazinen.
Eigentlich hätte er es nicht nötig gehabt, sich mit Kriminellen wie diesem ungehobelten Russen und dem aufgetakelten Italiener einzulassen. Luciano spielte gerne den Wohltäter und Grandseigneur. Hinter der verbindlichen Fassade verbarg sich ein brutaler, beinharter Geschäftsmann, der Kopf der Cosa Nostra in Deutschland.
Baumgart half ihnen, Geld zu waschen. Die Rendite war phänomenal. Manchmal wunderte es ihn, dass niemals jemand danach fragte, woher er das Geld für die riesigen Bürotürme, Einkaufszentren und Luxuswohnanlagen nahm. Dass Mafiabanden und kriminelle Geschäftemacher sich den deutschen Markt als Spielwiese ausgesucht hatten, war scheinbar selbstverständlich geworden.
Ohne diese Geschäfte wäre Baumgart kein Hungerleider, aber eben nur ein einfacher Millionär. Ihm reichte das nicht. Er wollte in der Topliga spielen. Dazu musste er die Milliarde knacken. Ein lohnenswertes Ziel, mit dem er sich an seinem 60. Geburtstag selbst beschenken wollte. Ihm blieben also noch vier Jahre. Das geplante Klinikprojekt würde ihm dem Ziel ein riesiges Stück näher bringen.
Es klopfte. Seine Sekretärin steckte den Kopf durch die in Gelbgold gestrichene Tür. „Ihr Besucher ist eingetroffen, das Essen steht auch bereit.“
Der Politiker
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