Die Staatskanzlei - Kriminalroman
kann die Mutter darüber verfügen. Wenn das kein Motiv ist!“
Verena erwähnte, dass sie sogar nach dem Testament gefragt habe. Für viele im Raum war der Fall damit klar. Heises Ex hatte ihn auf dem Gewissen. Hirschmann war nicht glücklich darüber. Er wollte den vom Minister geäußerten Verdacht, dass Terroristen die Täter waren, zu diesem Zeitpunkt nicht fallen lassen. Auch Verena hielt es für verfrüht, die Ermittlungen in nur eine Richtung zu lenken. Sie brachte erneut die Ministerialrätin ins Spiel. Dann räumte sie ein, dass Irene Heise kein Hehl aus ihrem Hass gemacht habe. Stollmann, selbst scheidungserfahren, sah sich zu einem Kommentar genötigt. „Hass ist Liebe, an der man gescheitert ist. Man kann es auch verschmähte Liebe nennen. Manche Frau verliert dann völlig die Kontrolle, sieht nur noch rot. Denkt an diese Frau aus Anderten, die ihren Mann im Schlaf mit einem Hammer erschlagen hat und …“
Während er den spektakulären Mordfall aus besseren Kreisen der Landeshauptstadt Revue passieren ließ, erschien vor Verenas Augen das Gesicht von Franz. Auch ihre Liebe war vorübergehend in Hass umgeschlagen. Zweifel und das Gefühl, versagt zu haben, hatten später die Oberhand gewonnen. Noch später war Angst hinzugekommen. Auch wenn bis zu ihrer Pensionierung noch eine lange Wegstrecke vor ihr lag, ertappte sie sich in letzter Zeit immer wieder bei trübsinnigen Gedankenspielen über ihre Zukunft: Einsamkeit, öde Wochenenden, finanzielle Einschränkungen. Als sie die abwartenden Blicke ihrer Kollegen auf sich ruhen spürte, wurde Assistentin Petra Schramm beauftragt, festzustellen, ob Frau Heise einen dunklen Polo oder Golf fährt.
„Bleibt noch Heises vorübergehende Lebenspartnerin, diese Frau Eggers. Wenn sich die beiden vor Kurzem im Streit getrennt haben, hatte auch sie ein Motiv“, meldete sich, überraschend für alle im Raum, ein Beamter des gehobenen Dienstes zu Wort. Sonst tat er sich nur hervor, wenn es um seinen Feierabend und die Einhaltung der Kernarbeitszeit ging. Stollmann bot an, sich darum zu kümmern. Das lasse die Albanersache noch zu.
Erneut ergriff der Beamte, der die Finanzlage des Ermordeten überprüft hatte, das Wort. „Es gibt weitere Auffälligkeiten. Herr Heise hat regelmäßig Bareinzahlungen auf seinem Konto vorgenommen. Alle zwei bis drei Wochen, immer 2000 oder 3000 Euro, einmal sogar 4000.“
Allgemeines Raunen im Raum war die Reaktion. Stollmann übernahm es, die Schlussfolgerung zu ziehen. „Das riecht nach Erpressung. Ja, so wird ein Schuh draus. Heise hat jemanden erpresst. Suchen wir den Kerl und wir haben den Mörder.“
Hirschmann war anderer Meinung, was niemanden im Raum wirklich überraschte. „Langsam, langsam, so schnell schießen die Preußen nicht. Noch haben wir zwei, möglicherweise sogar drei verdächtige Frauen. Und über den Grund der Geldzahlungen wissen wir bislang gar nichts. Er kann das Geld auch aus anderen Gründen erhalten haben. Immer Bareinzahlungen, sagten Sie?“
Der Beamte nickte.
„Über welchen Zeitraum ging das?“
Der Befragte musste passen. „Die Ordner umfassen nur das letzte Jahr, davor habe ich nichts.“
Verena schaltete sich ein. „Dann gehen Sie gleich morgen früh zu seiner Bank. Ich muss wissen, ab wann die Bargeldeinzahlungen erfolgt sind. Ich will jede einzelne Zahlung dokumentiert haben.“
Der Beamte machte ein verdrossenes Gesicht. Er gehörte zu der Sorte Männer, die sich durch weibliche Vorgesetzte in ihrer männlichen Ehre gekränkt fühlen. Verena beeindruckte das nicht im Geringsten. Sie wandte sich Hirschmann zu. „Gibt es Neuigkeiten vom Verfassungsschutz?“
„Ja, gibt es. Der Bruder des Hausmeisters der Staatskanzlei, Mehmed Hamad heißt der Mann, soll ein gefährlicher Fundamentalist sein. Er ist ebenso wie sein Bruder Ali, so heißt der Hausmeister mit Vornamen, in der Türkei geboren. So abwegig, wie mancher im Raum hier Glauben machen will, ist meine Theorie demnach nicht.“
„Und Ali selbst, was ist mit dem?“, wollte Verena wissen.
„Über den liegt nichts vor. Er führt ein unauffälliges Leben. Die Frau arbeitet halbtags an der Kasse in einem Supermarkt, die einzige Tochter steckt mitten in den Abiturvorbereitungen. Ein unauffälliger Lebensstil will aber nichts heißen. Terroristen steht die Mordlust nicht im Gesicht geschrieben. Das war bei den Hamburger Attentätern so und bei den Nazi-Mördern aus Zwickau.“
„Ich möchte bei der Befragung dabei sein“,
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