Die Staatskanzlei - Kriminalroman
widersprach Verena.
Hirschmann wäre nicht Hirschmann, wenn er das auf sich sitzen ließe. „Ich sagte es bereits. Es steht den Leuten nicht ins Gesicht geschrieben, wie sie wirklich denken. Die Attentäter vom 11. September haben auch jahrelang unerkannt als sogenannte harmlose Studenten unter uns gelebt.“
Verena reichte es. Hirschmann war schon immer auf dem rechten Auge blind gewesen. „Das stimmt, genauso wie die rechte Terrorgruppe, die unten den Augen des Verfassungsschutzes eine blutige Spur durch Deutschland …“
„Was soll das denn jetzt?“, fiel der ältere Verfassungsschutzbeamte ihr ins Wort. „Können wir vielleicht zum Mordfall Heise zurückkommen?“
„Selbstverständlich“, versicherte Hirschmann, nachdem er seine Kollegin mit einem strafenden Blick bedacht hatte.
Als er auf seine Uhr schaute, verzogen sich seine Mundwinkel nach unten. „Ali Hamad müsste längst hier sein. Ich sage es ja immer: Pünktlichkeit und Südländer sind zwei unüberbrückbare Gegensätze.“
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, klopfte es und der Vermisste stand vor ihnen. Er war um die fünfzig, vielleicht etwas jünger, ziemlich klein und schlank. Verena übernahm die Gesprächsführung, nannte ihm den Grund für seine Vernehmung.
Hamad reagierte, ohne lange nachzudenken. „Ich kann zu den Verbindungen meines Bruders zu den Talufisten nichts sagen. Wir haben kaum noch Kontakt. Das letzte Mal haben wir ihn Ostern besucht, und auch da nur kurz. Meine Frau empfand die Atmosphäre als bedrückend. Mehmeds Frau traute sich kaum noch, den Mund aufzumachen. Und seine Tiraden über den moralischen Verfall in Deutschland wollten wir uns nicht anhören.“
Sein Deutsch war akzentfrei, sein Gesichtsausdruck offen. Verena mochte ihn. Hirschmann hingegen gab den Skeptiker. Seine Stimme war schneidend. „Sie können also nicht sagen, wo sich Ihr Bruder derzeit aufhält?“
Ali Hamad sah überrascht aus. „Wieso, ist er nicht in Braunschweig?“ Der bedeutungsvolle Blickwechsel zwischen den Beamten vom Verfassungsschutz entging ihm, da er Verena anschaute.
Der Jüngere ergriff das Wort. „Sie behaupten also, nicht zu wissen, dass Ihr Bruder vor zwei Wochen nach Pakistan geflogen ist.“
Verena fand die Schärfe unangebracht. Als sie eingreifen wollte, spürte sie ein unangenehmes Kribbeln in der Nase. Das Niesen ließ sich nicht unterdrücken. Der ältere Verfassungsschützer verzog angewidert das Gesicht und rückte ein Stück von ihr weg.
„Nein, von Pakistan weiß ich nichts“, antwortete der Hausmeister.
Hirschmann gab sich mit der Antwort nicht zufrieden. „Sie behaupten also, nichts von den verfassungsfeindlichen Umtrieben Ihres Bruders zu wissen.“
Ali Hamads Gesicht nahm eine verdächtig rote Farbe an. Er reagierte aufgebracht. „Wieso behaupten? Ich sage die Wahrheit. Ich habe doch schon gesagt, dass ich meinen Bruder …“
„Nun regen Sie sich mal nicht gleich auf, guter Mann. Wir ermitteln in einem Mordfall, übertriebene Empfindlichkeiten sind fehl am Platz“, unterbrach ihn Hirschmann. „Sogar an der Schule Ihrer Nichten ist bekannt, dass Ihr Bruder die deutsche Kultur ablehnt. Sie haben sich vom Sportunterricht befreien lassen und an Klassenfahrten auch nicht mehr teilgenommen.“
„Das macht meinen Bruder noch lange nicht zu einem Mörder. Außerdem kannte er Herrn Ministerialdirigent Heise gar nicht. Weshalb sollte er ihn umbringen?“
„Woher wollen Sie das wissen, Sie hatten doch angeblich kaum Kontakt zu ihm“, konterte der ältere Verfassungsschutzbeamte. Der jüngere grinste breit.
Hamad war jetzt endgültig sauer. „Selbst wenn Sie Mehmed verdächtigen, was habe ich damit zu tun? Ich arbeite seit zwanzig Jahren in diesem Land, zahle Steuern und bin nie straffällig geworden. Mein einziges Vergehen sind zwei Punkte in Flensburg wegen zu schnellen Fahrens. Oder gilt in diesem Land die Sippenhaft?“, empörte er sich.
Hirschmann verbat sich den Ton und „überhaupt“, sagte er, „ist das mal wieder typisch. Die muslimischen Zuwanderer gehen bei jeder Kleinigkeit unter die Decke. Ständig sind sie beleidigt. Nur beim Austeilen geht ihre Sensibilität baden.“
Der Streit schaukelte sich hoch. Verena versuchte die aufgeheizte Stimmung zu entkrampfen, machte klar, dass auch politische Hintergründe überprüft werden müssten. Hirschmann hingegen schnaubte wie ein Walross. Verenas Beschwichtigungsversuch missfiel ihm.
Die Vernehmung zog sich noch eine Weile hin, was
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