Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Förderbank abgewickelt, nicht über die Staatskanzlei. Mal sehen, was der Herr Staatssekretär dazu zu sagen hat. Mit dem muss ich ohnehin ein Hühnchen rupfen. Sein Maulkorberlass behindert unsere Ermittlungen.“
Stollmann kratzte sich am Kopf. Eine Haarwäsche täte ihm gut, ein neuer Schnitt auch, dachte Verena. Seit seiner Scheidung vernachlässigte ihr Kollege sein Äußeres auf geradezu sträfliche Art und Weise.
„Falls Korruption im Spiel ist, wirst du von Haders nichts erfahren. Wenn an die Öffentlichkeit dringt, dass Heise bestechlich war, gibt es einen Riesenskandal. Die Regierung wird alles tun, um das zu vertuschen. Ihre Umfragewerte sind ohnehin im Keller.“
Verena widersprach. „Mich interessieren Umfragewerte nicht. Ich will einen Mord aufklären. Daran wird Staatssekretär Haders mich nicht hindern. Also lass mich mal, ich werde mir ganz bestimmt keinen Bären aufbinden lassen“, stellte sie klar. Sie schaute auf die Uhr. „Ich erwarte Wilm Hackmann. Er war Heises einziger Freund. Er müsste jeden Augenblick eintreffen.“
Ihr Kollege verabschiedete sich in den Feierabend. Das Abendessen konnte für ihn ausfallen. Fünf Müsliriegel hatte er vertilgt. Wenigstens einen hätte er für sie übrig lassen können. Frau Schramm bot Verena an, ihren Besucher mit ihrem nagelneuen Kaffeeautomaten zu beglücken. Nach einem langen Arbeitstag sei der Anwalt bestimmt dankbar, einen starken Kaffee vorgesetzt zu bekommen.
„Kekse dazu, wären nicht schlecht“, gab Verena ihr mit auf den Weg.
28
„Nehmen Sie bitte Platz, Herr Hackmann. Schön, dass Sie vorbeikommen konnten.“
Der schwergewichtige Anwalt für Steuerstrafsachen war außer Atem, sein Gesicht verdächtig rot. Die vier Treppen hatten ihm zu schaffen gemacht. Der Fahrstuhl war wieder einmal kaputt, was selbst sportliche Menschen vor eine Herausforderung stellte. Dem Aussehen nach fiel Hackmann allerdings unter die Kategorie Sportmuffel. Der zierliche Bürostuhl drohte unter seinem Gewicht zusammenzubrechen. Verena ließ ihm Zeit, zu verschnaufen. Kaffee wollte er nicht, auch das angebotene Mineralwasser lehnte er ab.
„Ich wäre schon einige Tage früher gekommen, es ging aber nicht. Ich war geschäftlich unterwegs. Ich habe übers Autoradio von Alexanders Tod erfahren. Kurz vor dem Frankfurter Kreuz, fast wäre ich ins Schleudern geraten.“
Er schnappte erneut nach Luft. „Wenn ich nicht diesen Termin im Finanzministerium in Wiesbaden gehabt hätte, wäre ich auf der Stelle umgekehrt. Aber ich habe Verpflichtungen gegenüber meinen Klienten. Es ging um eine CD mit Steuerdaten einer Züricher Bank. Einer meiner Mandanten, der auch in Hessen ein Unternehmen hat, war betroffen. Ich hatte ihm versprochen, persönlich mit dem Ministerium zu verhandeln. Schadensbegrenzung, wenn Sie verstehen.“
Verena verstand sehr gut. Hackmann hatte dem Ministerium im Auftrag seines geständigen Mandanten Geld angeboten. Nicht nur die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern, auch einen Betrag obendrauf. Als Gegenleistung würde die Sache klammheimlich eingestellt und der Steuersünder ging ohne Strafverfahren und Imageschaden aus der Angelegenheit hervor.
„Mein Mandant hat einen untadeligen Ruf, müssen Sie wissen, er ist sehr großzügig, wenn es um das Sponsoring von Sportvereinen geht, und auch sonst. Beim Ost-West-Dialog der Staatskanzlei hat er sich besonders spendabel gezeigt, war Hauptsponsor.“
So genau wollte Verena das gar nicht wissen. Sie konnte den Deals hinter den Kulissen, die nur Menschen mit viel Geld zugutekamen, nichts abgewinnen. Ihr Gerechtigkeitsempfinden kam damit nicht klar.
„Lassen Sie uns über den Mordfall und Alexander Heise sprechen. Nach allem, was man hört, war ihr Freund kein einfacher Zeitgenosse und bei seinen Kollegen und Mitarbeitern gelinde gesagt ziemlich unbeliebt. Auch in der Nachbarschaft hatte er augenscheinlich mehr Feinde als Freunde. Wie es scheint, waren Sie sein einziger Freund. Haben Sie irgendeine Idee, wer ihn erschossen haben könnte?“
Hackmann hatte keine und schob eine Erklärung nach. „Nach der Scheidung von seiner Frau, eine patente Person übrigens, haben wir uns nur noch sporadisch getroffen. Meine Frau war nicht gut auf ihn zu sprechen. Sie war der Meinung, dass Alexander sich bei der Scheidung schäbig verhalten hat.“
Er strich sich über die Stirn. Sein Blick wurde plötzlich düster. „Nach dem Tod meiner Frau haben Alexander und ich wieder häufiger miteinander
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