Die Staatskanzlei - Kriminalroman
geweckt.
Es gab Neuigkeiten, gute Neuigkeiten. Ein Mitbewohner des Hochhauses, in dem Irene Heise mit ihrer Tochter wohnte, hatte sich vor einer halben Stunde telefonisch gemeldet. Irene Heise war am Tatabend um Viertel nach sieben mit ihrem Wagen weggefahren. Daran konnte der Mann sich genau erinnern, weil er immer um diese Zeit von der Arbeit nach Hause kam. Jetzt fragte er nach der Belohnung von fünftausend Euro, die der Ministerpräsident ausgesetzt hatte. Stollmann hatte ihn vertröstet. Endlich eine heiße Spur.
„Ein Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung von Frau Heise ist überfällig“, stellte Stollmann, noch immer kauend, fest. „Sie hat kein Alibi, dafür aber ein Motiv. Wenn eine Millionen Euro kein Motiv sind, was dann? Und sie hat gelogen. Das wird sie nicht ohne Grund getan haben. Sogar unser Reichsbedenkenträger vom Dienst, der Herr von und zu Staatsanwalt, wird bei dieser Sachlage mitmachen“, fügte er grinsend hinzu.
Verena hielt es für klüger, erst den Abgleich der DNA-Spuren abzuwarten. „Außerdem, was ist mit den Bargeldeinzahlungen auf Heises Konto? Wir haben den Grund noch nicht aufgeklärt. Stell dir vor, es kommt im Gerichtsverfahren heraus, dass Heise ein Erpresser war. Schlampigkeit bei den Ermittlungen ist noch der geringste Vorwurf, den die Strafverteidiger uns um die Ohren hauen werden. Habe ich null Bock drauf. Du selbst warst heiß darauf, die Sache aufzuklären. Allein schon wegen Baumgart.“
Der letzte Müsliriegel musste dran glauben. Ihr Kollege stimmte ihr zu.
„Da will ich nicht widersprechen. Schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Knöpfen wir uns Baumgart vor und besorgen uns gleichzeitig einen …“ Er kam nicht mehr dazu, den Satz zu beenden, weil in diesem Moment eine aufgelöste Frau Schramm in Verenas Büro stürmte. Erst jetzt fiel Verena das schicke Kleid auf. Sie fragte sich schon länger, woher die A-9-Beamtin das Geld für ihre ständig wechselnde exklusive Garderobe nahm. Ließ sie sich aushalten? Hirschmann kam nicht infrage, der war gnadenlos geizig.
„Wir sind mit der Auswertung der Telefonlisten fertig, es war keine Nummer darunter, die Heise vor den Bargeldeinzahlungen regelmäßig angerufen hat.“
„Also keine Erpressung“, knurrte Stollmann. „Alles läuft auf seine Ex hinaus. Sag ich doch.“
„Nicht so schnell. Es gibt eine überaus interessante Telefonnummer, die er nicht jedes Mal, aber wiederholt angewählt hat.“ Sie schaute ihre Vorgesetzte erwartungsvoll an. Geduld gehörte nicht zu Stollmanns Stärken. „Mein Gott, Kollegin. Wir sind hier nicht bei Günther Jauch. Spuck es aus!“
„Hans Baumgart heißt der Mann, ihm gehört eine Immobilienfirma.“
Stollmann gab einen zischenden Laut von sich. „Schon wieder dieser Oberbanause! Wie ich bereits sagte, wir sollten uns den Kerl vorknöpfen. Ich übernehme das, bin gerade super drauf.“
Verena war weniger euphorisch. „Baumgart ist nicht irgendwer. Er hat Kontakte in höchste politische Kreise. Und sämtliche Ermittlungen gegen ihn haben sich letztlich immer wieder in Wohlgefallen aufgelöst.“
„Wundert dich das? Baumgart ist erfolgreich, sehr erfolgreich. Erfolg wirkt anziehend, vor allem auf Politiker. Im Schatten kapitalstarker Erfolgsmenschen segelt es sich gut. Ob es sich um Banausen handelt, spielt keine Rolle.“
Frau Schramm, sonst selten einer Meinung mit Stollmann, sprang ihm bei. „Außerdem gibt er gerne den Wohltäter. Erst kürzlich hat er bei der Spendengala der Landeshauptstadt für traumatisierte Kinder in Kriegsgebieten 100 000 Euro springen lassen.“
Ihre Mitarbeiterin hatte noch mehr Neuigkeiten auf Lager und nahm den Faden wieder auf. „Aber Kleinsorge und mir ist noch etwas anderes aufgefallen. Vor den Bargeldeinzahlungen hat Heise regelmäßig über sein Privathandy Unternehmen angerufen. Dreimal diesen Baumgart, sonst immer andere Firmen, alle mit Sitz in Niedersachsen.“
Stollmann gab erneut ein pfeifendes Geräusch von sich. „Das stinkt meilenweit gegen Himmel. Der piekfeine Elitebeamte hat sich nicht nur seine Geburtstagsfeier von Baumgart bezahlen lassen, er hat auch von anderen Unternehmen Kohle bekommen. Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wofür.“
„Nur noch, ist gut.“ Dann versuchte Verena sich an einer Erklärung. „Lukrative Bauaufträge hat seine Abteilung nicht zu vergeben. Es muss um andere Vorteile gehen. Subventionsbetrug ist auch unwahrscheinlich. Soweit ich weiß, werden die EU-Gelder über eine
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