Die Staatskanzlei - Kriminalroman
hinterlässt seiner minderjährigen Tochter eine Millionen Euro. Geld, das bis zu ihrer Volljährigkeit von der Exfrau verwaltet wird.“
Nach seiner Erklärung erhob er sich, um sich zu verabschieden. Ein dringender Termin in der Parteizentrale, es gehe um die Polizeireform. Im Hinausgehen zwinkerte er Sybille zu. Die lächelte zurück. Der Innenminister war ein väterlicher Freund und gewichtiger Fürsprecher der Berufsanfängerin. Er war es, der sie dem Ministerpräsidenten empfohlen hatte.
Obwohl ihm Frau Heise leidtat, überwog auch bei Wagner die Erleichterung. Nicht nur, weil der Spuk ein Ende hatte. Er musste ab sofort keine Angst mehr haben, Mitwisser eines Korruptionsskandals geworden zu sein, an dessen Ende womöglich ein brutaler Mord gestanden hatte. Der Mord hatte damit nichts zu tun. Da Heise nicht mehr unter den Lebenden weilte, konnte er den Korruptionsskandal ad acta legen. Außer Niemann und ihm schien niemand etwas mitbekommen zu haben. Und die beteiligten Unternehmen würden schweigen.
„Die Polizei wird morgen Vormittag zu einer Pressekonferenz einladen, die Journaille will bedient werden. Bis dahin möchte ich von Ihnen eine Presseerklärung“, sagte der Ministerpräsident an Wagner gerichtet. Der griff nach Kugelschreiber und Block. Der Chef wäre nicht er selbst, wenn er seinem Regierungssprecher nicht griffige Formulierungen mit auf den Weg gegeben hätte, die er genau so und nicht anders in der Presse lesen wollte. Dann wandte er sich Sybille Becker zu. Der Chef war wieder ganz der Alte und lief zur Hochform auf. Seine Persönliche Referentin hatte Mühe, die vielen Arbeitsaufträge zu Papier zu bringen.
Zum Ende der Besprechung hatte der Ministerpräsident noch eine Überraschung parat. „Jetzt, wo der Mord aufgeklärt ist, möchte ich Heises Nachfolger benennen. Mein Entschluss steht fest. Ich werde das Kabinett auf der Sitzung am kommenden Dienstag unterrichten.“
Wagner rechnete mit einem Namen aus der Regierungspartei, einem Vertrauten von Albi, dem langjährigen Parteivorsitzenden. Es kam anders.
„Ich habe mich für Ministerialrätin Britta König entschieden“, teilte der Ministerpräsident zur Überraschung seiner Mitarbeiter mit. „Sie leistet gute Arbeit, kennt die Themen und die Staatskanzlei und last, not least tue ich was für die Frauenquote“, begründete er seine Entscheidung. „Die Quoten-Peters und ihre streitbaren Geschlechtsgenossinnen werden begeistert sein.“
Bislang hatte der Chef auf die Meinung der Vorsitzenden der Frauenorganisation der Bürgerpartei nichts gegeben. Seine Äußerungen über die Quoten-Peters waren sarkastisch, gelegentlich verletzend. Worte wie überkandidelt und schrill gehörten noch zu den freundlichen Umschreibungen. Dass er den überzeugten Frauenpolitiker gab und zudem Heises ärgste Widersacherin seinen Posten übernehmen sollte, entbehrte nicht einer gewissen Pikanterie.
In der Staatskanzlei würde die Entscheidung für Entsetzen sorgen. Bei ihr kam erschwerend hinzu, dass sie eine Frau war. Für viele ältere Beamte ein kaum zu ertragendes Ärgernis. Aber das mochte sein Chef: Entscheidungen treffen, mit denen er sein Umfeld schockierte.
Im Hinausgehen lud Wagner Sybille zu Kaffee und Kuchen in die Kakaostube ein. Er rechnete damit, dass sie absagen würde. Ihr heiß geliebter Jakob würde bestimmt sehnsüchtig auf sie warten. Es kam anders. Die derzeitige Favoritin seines Herzens sagte zu. Wegen der Presseerklärung machte er sich keine Gedanken, die würde er zwischen Tür und Angel erledigen, reine Routine für ihn.
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H ANNOVER UND O SNABRÜCK
Die Übereinstimmung der DNA-Spuren, die am späten Freitagnachmittag von der Spusi bekannt gegeben worden war, sorgte für Erleichterung im Soko-Team. In erstaunlich kurzer Zeit tauchten alle wieder auf, die bereits ins Wochenende aufgebrochen waren: Hirschmann, Stolli, Kleinsorge, auch die meisten anderen Mitarbeiter der Soko. Ein spektakulärer Mordfall war innerhalb kurzer Zeit gelöst, mit Lob der Medien und der Öffentlichkeit war zu rechnen. Hirschmann wusste zu berichten, dass der Herr Innenminister sich sehr zufrieden über ihre Arbeit geäußert habe. Eine Pressekonferenz war anberaumt worden, der Minister selbst würde vor die Presse treten.
Die letzte Sitzung der Soko Heise verlief komplikations- und schmerzlos. Die Täterin war überführt, es fehlten nur noch das Geständnis und die Tatwaffe. Hirschmann sprach von reiner Routine und die meisten Polizeibeamten
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