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Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Titel: Die Staatskanzlei - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Schulreform
sozusagen
ein Desaster, die Europapolitik
sozusagen
ein Totalausfall.
    Es war
sozusagen
eine Strafe, dem Mann zuzuhören. Eigentlich gehörte die Feindbeobachtung zu den Aufgaben einer jungen Referentin seines Teams, die war jedoch an Grippe erkrankt. So hatte er selbst dran glauben müssen. Normalerweise ging er gerne zu Handwerksveranstaltungen, ganz besonders wenn sie bei der Kammer in Hildesheim stattfanden. Der Koch machte die beste Currywurst weit und breit. Auch die Klientel der Handwerksmeister lag ihm. Sie standen mit beiden Beinen auf der Erde, lebten im Hier und Heute, eine willkommene Abwechslung zum abgehobenen Politikbetrieb der Staatskanzlei. Wenn allerdings der Oppositionsführer als Festredner auftrat, artete der Besuch in eine Strafaktion aus.
    „Ist es wirklich nötig, dass ich dorthin gehe?“, hatte er den Ministerpräsidenten gefragt. „Die langweiligen Reden des Herrn Oppositionsführers sind eine Zumutung und auf meinem Schreibtisch stapelt sich die Arbeit.“
    Der Chef hatte sich unerbittlich gezeigt. Seit die Umfragewerte der Regierung im freien Fall waren, zeigte er ein auffallend großes Interesse an allem, was der Oppositionsführer in der Öffentlichkeit von sich gab.
    Der Mann neben ihm, Inhaber eines florierenden Sanitärbetriebs und Wagner aus Handwerkstreffen mit dem Ministerpräsidenten bekannt, schnarchte leise. In der Reihe hinter ihm spielten Handwerker mit ihren iPhones, andere starrten gelangweilt vor sich hin oder tuschelten leise miteinander. Außer ihm schien keiner zuzuhören, was Wagner niemandem verdenken konnte. Seit einer geschlagenen Stunde redete der Politiker, sprach von Synergie, Konvergenz und Subsidiarität, Worte, mit denen vermutlich keiner der Anwesenden etwas anfangen konnte. Verzweifelt kämpfte Wagner gegen seine Müdigkeit an. So sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, herauszufinden, was der Politiker den Anwesenden eigentlich sagen wollte. Dass die amtierende Regierung summa summarum ein Totalausfall war? Dafür brauchte man doch keine sechzig Minuten. Das hätte man in zwei oder drei Sätzen abhandeln können.
    Seitdem Wagner sich in der Politik tummelte, fragte er sich, weshalb so viele Politiker Phantomdebatten zu Phantomthemen führten. Mit keinem Wort ging der Redner auf die Probleme ein, die den anwesenden Handwerkern unter den Nägeln brannten: die Angst vor einem Absturz des Euro ins Bodenlose, die zu befürchtende Inflation, die Sorge, von den Schulden der südeuropäischen Länder aufgefressen zu werden, und vor einer Rezession.
    Dann war der Spuk endlich vorbei. Der Beifall war mau, sehr mau. Der Kammerpräsident bedankte sich artig für die interessante Rede und lud zum Buffet ein. Die Ankündigung brachte Bewegung in den lustlosen Haufen. Erleichterte Menschen strömten ins Foyer, wo ein Bratwurststand und eine provisorische Biertheke auf sie warteten. Wagners inzwischen wieder munter gewordener Sitznachbar aus der Sanitärbranche verwickelte ihn in ein Gespräch. Nachdem er abenteuerliche Theorien über den Mord von sich gegeben hatte, lobte er Heise in höchsten Tönen, hob sein Engagement für den Mittelstand und seine Kompetenz hervor. Keine Frage, der Mann meinte es ernst.
    Wagner wurde eingeladen, mit zum Currywurststand zu kommen. Er wäre gern geblieben. Ein kühles Pils vom Fass, dazu eine knackige Currywurst, was konnte es Schöneres geben? Nichts, fand Wagner. Zu ärgerlich, dass der Ministerpräsident für 17 Uhr eine Besprechung in seinem Büro angesetzt hatte. Er musste sich auf den Weg machen. Notgedrungen verabschiedete er sich von dem gesprächigen Handwerksmeister, der sich seinerseits in die Schlange vor dem Bratwurststand einreihte.
    Der Oppositionsführer grüßte freundlich, sein Referent grinste schadenfroh, als Wagner an ihm vorbei Richtung Ausgang eilte. Er durfte bleiben, Wagner nicht. Der verführerische Bratenduft ließ seinen Magen knurren. Manchmal, so wie jetzt, brachte sein Job mehr Frust als Lust mit sich. Wagner ignorierte seinen Kollegen. „Armleuchter“, brummelte er im Hinausgehen.
    Auf dem Parkplatz zupfte plötzlich jemand an seinem Ärmel. Ein riesiger Mann mittleren Alters sprach ihn an. Wagner war sich sicher, ihn schon mal gesehen zu haben. Wo, wollte ihm nicht einfallen.
    Ob es neue Erkenntnisse im Mordfall Heise gäbe, wollte der Mann wissen. Er stellte sich nicht vor, sagte nur, dass er Heise gut gekannt hätte und sein plötzlicher Tod ihm furchtbar leidtäte.

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