Die Stachelbeerstraeucher von Saigon
weitere Unerfreulichkeit berücksichtigen.
Anbei sende ich Ihnen ein Dossier, das mir Aribert S. als Kopie mit freundlichen Grüßen zukommen ließ.
Wie Sie unschwer erkennen werden, handelt es sich dabei um eine, zugegeben sensationelle Auflistung Ihrer berufsfremden und berufsschädigenden Unternehmungen, die ich übrigens mit großem Vergnügen gelesen habe.
Vieles davon hätte ich Ihnen, ehrlich gesagt, nicht zugetraut.
Respekt, Respekt, Sie alter, geiler Sack!
Vertrauend auf Ihre stets am Wohle der Bayerischen Verfassung orientierte tadellose staatsbürgerliche Haltung, die Sie in viele Entscheidungsgremien und Ämter geführt hat, verbleibe ich mit hippokratischem Gruß
Ihr Dr. Dr. Ignaz Schlupf
Gmolats
» Gmolat « ist ein niederbairischer Begriff für einen Monolog, der mit und ohne Auditorium funktioniert, weil er von fast autistischer und ritueller Natur ist.
Es besteht aus einer immer wieder erzählten Geschichte, stilistisch geprägt von refrainartigen Wiederholungen, retardierenden Momenten und starker, fast traumhafter Bildhaftigkeit.
Es ist eine Art ganztextliches Mantra mit einer unbegrenzten Silbenzahl.
Ebenso wie bei einem Mantra geht es auch beim » Gmolat « nicht um die Vermittlung von Empfindungen und Inhalten, sondern ausschließlich um die Autostimulation des » Molers « .
Auslöser eines » Gmolats « kann übermäßiger Alkoholkonsum, oft in Verbindung mit Einsamkeit sein, oder auch eine endogene Veranlagung zur Wiederholung.
Das » Gmolat « ist ein intelligenz- und schichtenunabhängiges Phänomen.
Es ist sowohl im Präkariat und im beginnenden Sprachzerfall anzutreffen als auch in Hörsälen, Parlamenten und Theaterkantinen.
Das » Gmolat « ist ein litaneiartig dialektisches Gebilde.
In jeder Stimmung eines » Gmolats « schwingt auch das Gegenteil mit.
In der Aggression das tiefe Selbstmitleid.
Und im Hass die Zuneigung.
Große » Moler « sind in der Lage, mehrmals täglich zu » molen « .
Bedeutende noch lebende » Moler « sind z. B. Philipp Rösler, der Dalai Lama, Thomas Gottschalk oder Hella von Sinnen sowie typisch bayerische Ausformungen wie Uschi Dämmrich von Luttitz, Florian Silbereisen oder Erwin Huber.
Da Moas so hou
(Der Mais so hoch)
Nachts im Auto, ein Freddy-Quinn-Lied singend.
Fährt ein weißes Schiff nach Hongkong, hab ich Sehnsucht nach der Ferne.
So sollte ich einem meiner Lieblingsgmolats begegnen.
Selbst noch verfangen in dem Nachgastspielgmolat, in dem man die Kilometer herabzählt, die man noch hat, um eventuell noch sein Lieblingslokal zu erreichen, die Aufgaben des nächsten Tages resümierend, den Verfall der Unterhaltungskultur beklagend, in ewigen Wiederholungsschleifen die Kritiker in den Boden stampfend, die meinem Text nicht gewachsen waren.
Aber dann in weiter Ferne
hab ich Sehnsucht nach zu Haus.
Da zumindest stimmte mir Freddy Quinn zu.
Gerne tausch ich all die fremden Länder
gegen eine Heimat aus.
Aber da war keine Heimat, und das weiße Schiff war ein schwarzer tschechischer LKW , der blinkend am Straßenrand stand, und dazu ein noch schwärzerer BMW , der quer auf der Autobahn stand und in den ich hineindonnerte. Ich schlitterte auf zwei Rädern die Leitplanken entlang, wie Paul Newman oder Steve McQueen in einem Rennfahrerepos, dachte noch, als die Frontscheibe splitterte, wie angenehm doch ein wirklicher Luftstrom im Gegensatz zur Klimaanlage sei, schloss die Augen und öffnete sie erst wieder, als der Wagen stand.
Es war alles auf Anschlag.
Das Dach noch einen Zentimeter über meinem Kopf, das Lenkrad am Bauch, der Tacho an den Kniescheiben und die Eisenspitzen der Heuwender, die der tschechische LKW geladen hatte, in Augenhöhe und Griffweite vor mir.
Ich sah mir zu, wie ich ausstieg, mich abtastete, Bewegungen machte, es nicht fassen konnte, dass mir nichts passiert war.
Ich bedauerte meinen CX Citroën Kombi, das französische Leichenwagenmodell.
Die Polizei nahm die Fakten auf.
Der Sanitäter untersuchte uns.
Der Abschleppdienst kam, kehrte die Reste von der Autobahn.
Müde saß er da, der Chef.
Es war, als würde ich in den Spiegel schauen.
Er hat wohl neue Hallen gebaut für seine Wracks, hat sich verschuldet und muss jetzt pausenlos Bereitschaftsdienst machen.
Aber er hält sich wach.
Mit Tee, Kaffee, Kinderschlagen, und wenn es gar nicht mehr anders geht, dann fasst er sich einen Überlebenden in wehrlosem Schockzustand und molt.
Molt, bis ihm der Schlaf verfliegt.
Des is jo go nixe.
Nix
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