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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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dann träumen ?«, fragte der Astyanax. »Würde sie sich so verhalten wie früher einmal unsere Vorfahren, die sich im Schlaf jedes Mal der nicht genutzten Weltlinien, der nicht beschrittenen Schicksalspfade entledigten?«
    Es kam nur selten vor, dass Eidola Schicksalspfade erwähnten. Ihre Beschaffenheit schloss Variationen längs der fünften Dimension aus. Bei ihnen mündeten alle Schicksalswege automatisch in einem einzigen optimierten Pfad. Diese Unbeweglichkeit machte sie dem Chaos gegenüber besonders verletzlich.
    Ghentun umkreiste das Simulacrum. »Schon möglich.«
    »Könnten wir die Weltlinien dieses Geschöpfs und deren Verbindung mit seinem Stammgeschlecht zurückverfolgen«, fuhr der Astyanax fort, »könnten wir ein so sensibles Tier , das aus urzeitlicher Materie besteht, mit seinen engsten Vorfahren aus welch fernen Zeiten auch immer verknüpfen … würde es uns dann tatsächlich etwas über diese verlorenen Zeiten verraten? Wir würden dabei unterstellen, dass sich seine Weltlinien
retrokausal mit ähnlichen, passenden Weltlinien verbinden – so wie bei der Paarung primitiver genetischer Stränge.«
    »Dieses Experiment haben wir ja durchgeführt, aber es hat nie funktioniert«, erwiderte Ghentun. Er war sich nicht sicher, wie viel der Stadtfürst darüber wusste, konnte nur darüber spekulieren, was die Großen Eidola einander während einer halben Ewigkeit des Ränkeschmiedens mitgeteilt hatten.
    »Und dennoch suchst du doch genau danach – nach Zeugnissen von Vorgängen in der fernen Vergangenheit, Zeugnissen der endgültigen Vernichtung, hab ich Recht?«
    »Ihr irrt euch nie«, bemerkte Ghentun.
    Der Astyanax ließ das Simulacrum erstarren und löste es auf. Die urzeitliche Materie schrumpfte zu einem schillernden Klumpen zusammen und blieb auf der Plattform liegen. »Ein müßiges Spiel«, sagte er. »Hast du in jüngerer Zeit mal mit dem Bibliothekar gesprochen?«
    »Vor fünfundsiebzig Jahren habe ich den Zerstörten Turm besucht«, erklärte Ghentun. »Es wurde eine Besprechung zum Thema Ebenen ausgemacht, aber bislang hat man mich noch nicht vorgeladen.« Er hütete sich, mit leicht überprüfbaren Fakten hinter dem Berg zu halten.
    »Du hast den Angelins im Zerstörten Turm von einer Veränderung in den Ebenen berichtet, Hüter. Ich bin davon ausgegangen, dass irgendjemand mich zu gegebener Zeit schon darüber informieren würde. Schließlich haben der Bibliothekar und ich bei diesem Projekt seit langem zusammengearbeitet.«
    »Es wäre anmaßend, wollte ich Nachrichten von einem Großen Eidolon zum anderen übermitteln.« Ghentun war klar, dass der Astyanax ihn provozieren wollte. Doch von einem Eidolon erwartete er auch kaum eine bessere Behandlung: Im
Vergleich zum Stadtfürsten war er weniger als ein Pede auf einem Feldweg.
    »Ich habe gehört, dass der Bibliothekar immer noch an einer grundlegenden Lösung unserer Probleme arbeitet«, erklärte der Astyanax.
    »Es gelangen viele Gerüchte vom Zerstörten Turm nach unten«, erwiderte Ghentun. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll, dazu reichen meine Informationen nicht aus.«
    Der Astyanax sah ihn abschätzend an. Es war kaum möglich, irgendetwas vor ihm zu verbergen. Große Eidola konnten Instandsetzer binnen Sekunden ausforschen. »Aber Instandsetzer und Gestalter befassen sich doch seit mindestens fünfhunderttausend Jahren mit der Nachzucht der alten Art«, wandte der Astyanax ein.
    »Was unsere Gestalterin betrifft, kann mich kaum noch etwas überraschen. Sie tut selten das, was ich von ihr verlange«, erklärte Ghentun.
    Der Astyanax zeigte einen Anflug von Humor, was sich in einem Aufglühen zeigte. Die Rückstreuung des Lichts ließ Ghentuns Umhang oszillieren. »Manchmal habe ich das Gefühl, dass man diese Stadt gar nicht lenken kann . Fast würde ich die Gelegenheit begrüßen, mir anzusehen, wie der Typhon das handhaben würde.«
    Unwillkürlich erschauerte Ghentun.
    Der Astyanax sah es mit Wohlgefallen. »Du hast offensichtlich keine Lust, die Kalpa preiszugeben, Hüter. Und du willst auch nicht den Bibliothekar hintergehen. In dieser Hinsicht hast du nichts zu verbergen. Allerdings weißt du nichts von der Vergangenheit, hast keine Ahnung, was sich tatsächlich zwischen dem Bibliothekar und dem Stadtfürsten abgespielt hat.
Trotzdem wäre es mir lieb, wenn du mir auf diskrete Weise einen vollständigen Bericht über die Situation in den Ebenen zukommen ließest, eine Kopie des Berichts, den du dem Bibliothekar

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