Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
und er schien zu wissen, was er tat.
    Macht trug eine mürrische Miene zur Schau, und Denbords Gesicht war zur einer Maske des Trotzes erstarrt, auch wenn er beharrlich schwieg. Sie hatten schon allzu viel durchgemacht.
    »Habt ihr eure Klaven ausprobiert?«, fragte Pahtun. »Wie haben sie sich bewährt?« Als der Hochgewachsene sich mit ausgestreckten Armen herumdrehte, strahlten die Spitzen der oberen Äste so hell auf, dass sie fast das Tageslicht des künstlichen Himmels erzeugten.
    »Ja, haben wir«, erwiderte Denbord. »Sie waren schwer zu handhaben. Aber einige der früheren Marschierer sind hinter uns zurückgefallen. Ich meine die Toten oder was sie sonst gewesen sein mögen. Sie haben sich aufgelöst.«
    »Zweifellos Wiedergänger. In dieser Gegend sind sie dicht gesät.«
    »Sind es Tote?«, fragte Tiadba.
    »Vielleicht nicht Tote, aber höchst unglückselige Wesen. Kann sein, dass es Versionen von euch waren, die falsche Entscheidungen getroffen haben und in Fallen geraten sind. Und dann hat der Typhon ihre Schicksalsfäden in eine Schlinge verwandelt, so dass sie ihre Schritte ewig wiederholen. Der Typhon benutzt alles, was er erbeutet oder findet. Das ist kein angenehmes Ende. Eigentlich überhaupt kein Ende, nach dem, was ich in den letzten Zehntausenden von Tag-Nacht-Zyklen gesehen habe. Ich arbeite hier draußen, merke mir das, was ich in Erfahrung bringen kann, und gebe es an diejenigen weiter, die es bis hierher geschafft haben.«
    »Wie viele Marchierer haben denn bis hierher überlebt?«, wollte Denbord wissen.
    Nico streckte die Hände wie zum Gebet hoch, um mitzuzählen.
    »Ich weiß es nicht genau. Vielleicht hundert … Nein, weniger. « Als Pahtun den Boden vor sich berührte, stieg ein Kasten daraus empor, etwa so groß wie eine Wäschekommode. Er umkreiste sie, kratzte sich die Handflächen, murmelte irgendetwas und ruckte mit dem Kopf hin und her. Der Kasten reagierte darauf: Seine Seitenteile klappten auf. Im Innern wanden sich dünne Zweige, die mit schwindelerregender Geschwindigkeit heranwuchsen, wobei sie grell leuchtende Fünkchen sprühten. Es waren winzige Versionen der Bäume ringsum, die ihnen Deckung gaben.
    »Zieht eure Anzüge aus und legt sie auf dem Boden ab. Sobald sie ausgelüftet sind, werfen wir sie hier hinein.« Pahtun
deutete auf die sich windende Masse in dem Kasten. »Eure Schutzanzüge werden sich darin erneuern und aufrüsten. Sie werden sich neue Kenntnisse aneignen, damit sie euch besser anleiten können. Danach zieht ihr wieder los. Auch ich werde dieses Lager abbrechen und fliehen, denn ganz in der Nähe liegt der Passweg, und ich möchte von keinem der Schweigenden erwischt werden. Außerdem halten wir alle uns viel zu nah beim Zeugen auf.«
    »Wie ist das möglich?«, fragte Tiadba. »Wir wurden doch weit davon entfernt ins Chaos entlassen.«
    »Entfernungen, Winkel, Maße: All das verändert sich derzeit, fürchte ich. Und das macht es nicht leichter, zu planen und sich auf das Chaos vorzubereiten.«
    Mit einer Geste wies er sie an, sich auszuziehen, wobei sein feiner Blütenfinger deutlich zu sehen war. Zögernd schälte sich einer nach dem anderen, mit Ausnahme von Macht, aus dem Schutzanzug und legte ihn auf dem Boden ab. Herza und Frinna blieben nahe am Kasten stehen, als ermutige sie sein rätselhaftes, ihnen aber offenbar wohlgesinntes Innenleben. Shewel gesellte sich zu ihnen.
    Pahtun sammelte die Anzüge ein und warf sie in die herumwirbelnden Zweige, wo sie aufzischend verschwanden. Immer noch wartete er darauf, dass Macht sich endlich einen Ruck gab.
    »Toller Zauber«, bemerkte Denbord, kniff die Augen zusammen, nickte und fasste sich an die Nase. Nach wie vor traute er der Sache nicht, aber welche Alternativen hatten sie schon? Dass sie hier geschützt waren, wenn auch nur vorübergehend, konnte niemand leugnen.
    »Tu’s einfach!«, wies Tiadba Macht an. Er bedachte sie mit einem wütenden Blick, doch schließlich zog er seinen Anzug
aus und reichte ihn diesem seltsamen Pahtun, der ihn sofort in das silbrige Gewirr warf.
     
    Fast nackt ließen sich die Marschierer rings um den Kasten nieder und lösten einander dabei ab, vom jüngsten großen Übergriff des Chaos zu erzählen, von den Schäden, die die Kalpa dabei erlitten hatte, von ihrem Training und dem Ende des ersten Pahtun. Sie erwähnten auch die Sternenschiffe im Tal und deren plötzliches Verschwinden, die Ruinen der großen Städte, die seltsamen Lichtspiele. Und die

Weitere Kostenlose Bücher