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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Kalpa in Mitleidenschaft gezogen. Viele Bahnen und Rinnen waren dabei abgetrennt worden und peitschten jetzt wild herum, prallten gegen andere Bahnen oder schnitten durch sie hindurch, trennten deren kilometerweites Umfeld so vom übrigen Netz ab, dass es sich in einzelnen Strängen verhedderte, blockiert und mit flimmernden Trümmern übersät war.
    »Das verstehe ich nicht«, war das Einzige, was Jebrassy herausbrachte, während sie von den Stadtteilen der Eidola zu den Ruinen des Horts hinabstiegen.
    »Willkommen in all unseren verlorenen Welten, den oberen und den unteren, junger Freund«, murmelte Ghentun. »Allerdings fühle ich mich hier unten eher zu Hause.«
    Sie betraten den Wirkungsbereich der Gestalterin, jetzt ein Trümmerfeld aus zerbrochenen Schranken und Maschinen, die zu schwarzer Schlacke zusammengeschmolzen waren. Doch glücklicherweise waren hier wenigstens keine Spuren des Nachwuchses mehr zu sehen, den sie für immer verloren hatten. Die mehrarmige Gestalterin hatte versucht, ihren Bereich nach den schlimmsten Übergriffen des Chaos aufzuräumen. Allerdings war nicht zu verkennen, dass der Hort für immer zerstört war. Nie wieder würden die Umber junge
Nachgezüchtete an die Ebenen übergeben, nie wieder würde dort Nachwuchs auf die althergebrachte Weise großgezogen werden.
    Schweigend blieben sie vor der Gestalterin stehen, die Jebrassy mit einem ihrer langen, warmen Finger kurz streichelte. Bestürzt und verlegen wich er vor ihr zurück. Doch zugleich spürte er, dass ihm neues Wissen zuströmte und sein Inneres wie eine nahrhafte, kräftigende Speise füllte. Es verteilte sich zügig wie kühlendes Öl und erfrischte ihn durch und durch. Er mochte dieses Gefühl, doch es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass ihm gleich darauf klar wurde, wie schlimm die Dinge inzwischen standen und wie wenig er über die Grundlagen der eigenen Existenz gewusst hatte.
    Er kam sich klein vor, aber nicht wie am Boden zerstört. Er würde Tiadba viel zu erzählen haben, wenn sie sich endlich wiedersahen. Und daran zweifelte er nicht, auch wenn ihn dieser trübsinnige Hochgewachsene, der ihm Rätsel aufgab, seelisch herunterzog. Fast hätte er sich lieber allein in dieses Abenteuer gestürzt.
    Konnten ein Nachgezüchteter und ein Hochgewachsener – ein Instandsetzer – überhaupt auf gleicher Ebene miteinander verkehren? Jebrassy fühlte sich seiner Aufgabe durchaus gewachsen. Doch er war sich nicht ganz so sicher, ob der Hüter tatsächlich durchhalten würde, wenn sie sich erst einmal im Chaos befanden.
    Ghentun gab der Gestalterin letzte Anweisungen und gebrauchte dabei Wörter, die Jebrassy nicht verstand. Allerdings hielt er sie nicht für Begriffe einer gehobenen Umgangssprache und auch nicht für absichtlich verklausuliert, sondern einfach für Spezialausdrücke.
    »Die letzte Generation«, sagte Ghentun, als sie vom Hort aufbrachen. »Das kann einen schon traurig machen. Aber es ist schon lange an der Zeit, dass es aufhört.«
    »Warum?«, fragte Jebrassy. »War die Nachzucht der alten Art nicht der Mühe wert?«
    Ghentun blickte verwirrt, aber voller Respekt auf ihn herunter. Vielleicht war der Bibliothekar mit seinen Informationen freizügig umgegangen oder hatte den Jungen zumindest über das Wesentliche aufgeklärt. Es mochte aber auch sein, dass sie alle die Fähigkeiten ihrer so viel kleineren Schützlinge unterschätzt hatten, so wie die Eidola die Fähigkeiten der Instandsetzer als unbedeutend abgetan hatten.
     
    Der schlimmste Teil ihres Aufbruchs ins Chaos kam, als sie durch die untersten Ebenen gingen. Vorher hatte der Hüter Jebrassy die Gabe verliehen, die er selbst besaß: sich unsichtbar zu machen.
    Ein paar Nachgezüchtete hatten überlebt. Entsetzt über die Vernichtung ihrer Unterkünfte, Weiden und Äcker, wanderten sie in den rauchenden Trümmern umher und versuchten, wieder irgendeine Ordnung in ihr Leben zu bringen, obwohl das eindeutig nicht mehr möglich war.
    Die Zerstörung in den oberen Ebenen hatte Jebrassy kaum erfassen können, aber das hier traf ihn hart. So hart, dass es seine Abenteuerlust und die Bereitschaft, sich Herausforderungen zu stellen, mehr als dämpfte. Er würde nie wieder heimkehren können – das war ihm von Anfang an klar gewesen. Aber jetzt würde es höchstwahrscheinlich nicht mal mehr ein Zuhause geben, zu dem er hätte zurückkehren können.
    »Ich bin traurig«, sagte er zu Ghentun, als sie mit einem verborgenen Fahrstuhl in die Hochwasserrinnen

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