Die Stadt am Ende der Zeit

Mutter ihr Kind umarmt sie das winzige weibliche Geschöpf in ihrem nackten Schoß, das von einem strahlend blauen Lichthof umgeben ist und Lichtbogen durch Nebel und Dunst ausschickt.
    »Hast du den Pilger gesehen?«, fragt Ishanaxade Tiadba zum zweiten Mal, doch sie hört kaum hin.

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    Noch nie hat Daniel etwas so Schönes gesehen.
    Gewaltsam hat er sich durch zahllose Widrigkeiten, Schicksalsstränge und Körper gekämpft, um zu diesem Ausgangspunkt zurückzukehren. Immer noch schleppt er das abgerundete Plättchen aus grünem Material mit sich herum, das ihm Mnemosyne in Bidewells leerem Zimmer hinterlassen hat. Das scheint jetzt unglaublich lange her und sehr weit weg zu sein. Die Muse hat es ihm damals gegeben, damit es irgendwann eine Erinnerung und eine Verwandlung auslöst, so als hätte sie damit gerechnet, dass sie sich in der Zukunft erneut begegnen würden, wie alte Bekannte.
    Was soll er tun?
    Als das schimmernde weibliche Wesen durch den Nebel zu ihm vordringt, werden ihm die Knie schwach.
    Jetzt sind alle hier. Wer bist du?
    Das Gesicht ist reizend, die Gestalt verführerisch. Unglaublich fremdartig und zugleich auf beruhigende Weise vertraut. So viele Formen. So viele Glieder. So viel Energie. Etwas sehr Altes, lange Unterdrücktes, Verdichtetes, ebenso rätselhaft wie das von der Zeit geschliffene Plättchen in seiner linken Hand, drängt aus seinem Inneren an die Oberfläche. Daniel ringt um Worte.
    Ich bin Sangmer.
    Du? Und nach kurzem Zögern: Wohin bist du verschwunden, Pilger, Gatte? Und was hast du mitgebracht?
    Daniel streckt die rechte Hand hoch. Sie ist leer.
    Also hast du sie abgeliefert?
    Er nickt.
    Dann ist es vollbracht. Die Mindestanzahl von Hirten ist eingetroffen.
    Das durch die Zeit gestürzte Oval in seiner linken Hand sieht wie ein gehärtetes, verdichtetes Stück des Sees aus, der unter ihnen schäumt und bebt. Oder wie die Teile, die die Shen nach der Zeit der Leuchtenden Pracht und dem Abschluss der Schöpfung in allen von ihnen bereisten Galaxien zusammengetragen haben.
    Dieser so lange verschollene Teil der Mnemosyne wird Ishanaxade mit neuem Leben erfüllen und sie in das zurückverwandeln, was sie werden muss. Er kann ihn ihr vorenthalten, ihr verweigern und Anspruch auf die Frau geltend machen, für die er das Chaos durchquert hat. Oder er kann ihn ihr geben und sie für immer verlieren.

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    Ishanaxade blickt auf seinen armseligen, uralten Körper hinunter, der so viel Schmerz ausstrahlt und so viel Kummer empfindet, diesen von der Reise erschöpften, harten Körper, der entschlossen ist, seine Pflicht zu erfüllen und ihr Mnemosynes Hinterlassenschaft zurückzugeben – egal zu welchem Preis.
    Was haben wir getan?, fragt sie ihn.
    Das, was wir immer tun. Was wir zu tun versprochen haben: Wir haben die Wiedergeburt eingeleitet.
    Als er die linke Hand ausstreckt, löst Ishanaxade das Bruchstück aus seinen Fingern. Selbstverständlich ist es kein Glas. Es ist ein Teil der Mutter aller Gedanken, Mutter all derer, die sehen und denken, und das schließt auch Daniel – und Sangmer – mit ein. Dadurch, dass es alles miteinander verbindet, sorgt es für Erinnerungen. Und es gestaltet die Schöpfung des Schläfers, sobald er sich zum Aufwachen entschließt.
    Wenn ich das hier annehme – werde ich wieder zu dem, was ich war. Was werden wir einander dann noch bedeuten?
    Daniels Körper hat jämmerliche Angst. An der Basis des leuchtenden Dreiecks, an ihren nur vage auszumachenden Füßen und schimmernden Beinen steigt der See bereits an.
    Innerhalb der Unendlichkeit werden wir uns nach wenigen Zyklen stets wiederbegegnen, erwidert er. Das muss mir genügen.
    Die Armillarspäre dehnt sich noch weiter aus. So weit, dass sie deren Grenzen nicht mehr erkennen können.

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    Ginny und Jack spüren, wie die Alpträume weichen. Sie wissen, dass niemand sie vergessen wird, es sei denn, es soll so sein. In der Nähe sehen sie Jebrassy und Tiadba. Zusammen bilden sie vier Punkte innerhalb des Wirbelsturms, der sich erhebt, als sich uralte Materie wieder miteinander vertraut macht und
dabei alten Regeln folgt. Diese Regeln gelten nur für das Spiel innerhalb der rotierenden Festung des Schläfers. Und nur für diesen Moment.
    Tiadba und Jebrassy haben sich auf so vielfältige Weise miteinander verbunden, dass Ginny und Jack verwirrt sind. Und neidisch.
    Jack und Ginny greifen nach Daniels beiden Integralläufern. Aber Daniel ist nicht mehr bei ihnen. Sie wissen nicht, wo er