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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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war Jebrassy nicht wohl bei dem Gedanken, dass Tiadba und er ihre kostbare Zeit mit anderen teilen würden. Selbst dass Khren dabei war, mit dem er schon so viele Abenteuer gemeinsam durchgestanden hatte, störte ihn.
    Die Jugendlichen rannten die gerade Straße entlang, scharten sich um ihn, berührten seine Finger und begrüßten ihn mit lauten Pfiffen.
    »Shewel, Nico, Mash: Das hier ist Jebrassy«, sagte Khren. »Ein sehr unkluger und hinterhältiger Kerl.« Sie waren beeindruckt.
Offensichtlich hatte Khren ihnen viel Unsinn über seinen Freund erzählt.
    »Jebrassy der Krieger«, bemerkte Shewel, der größte von ihnen, ein schlaksiger junger Mann mit weit auseinanderstehenden Augen und rötlicher Schädelbehaarung.
    »Hab nicht mehr viel Zeit für Kämpfe«, erwiderte Jebrassy.
    »Seine Freizeit verbringt er jetzt mit einer Flamme«, warf Khren ein. Als Jebrassy ihn böse ansah, hüpfte Khren zur Seite, als hätte Jebrassy einen Stein nach ihm geworfen.
    Die Jugendlichen waren völlig außer Atem. »Wonach suchen wir überhaupt?«, wollte Nico wissen. Er hatte blasse Haut, silberige Kopf- und Körperbehaarung und hellblaue Augen. Eigentlich sah er recht gut aus, nur störte seine hohe Piepsstimme. »Horten die da draußen Nahrungsmittel? Verstecken die Wächter dort seltsames Zeug?«
    »Nichts dieser Art«, sagte Jebrassy. »Wir werden ein leer stehendes Stockwerk der Ebenen durchsuchen.«
    »Um nach Traumgespinsten Ausschau zu halten?«, fragte Mash. Er wirkte kräftig und hatte einen Quadratschädel. Jebrassy hielt ihn für den jüngsten der Gruppe, aber er war eindeutig der stämmigste. Manchmal erzählten die Älteren dem Nachwuchs vor dem Schlafengehen eine Geschichte, die von Träumen handelte: Die schönsten Traumgespinste, sagten sie, flüchteten beim Erwachen, um sich in den verlassenen Stockwerken zu verbergen. Dort könne man sie wieder einsammeln und nach Hause mitnehmen, damit sie einem auch zukünftig den Schlaf versüßten. Dagegen müsse man bösen Traumgespinsten selbstverständlich aus dem Weg gehen.
    »Sind es gute oder böse?«, hakte Mash trotzig nach, als die anderen sich über ihn lustig machten, und schlug einen Bogen
um die Gruppe, als wäre es ihm unangenehm, sich den anderen anzuschließen.
    »Hier geht’s nicht um Traumgespinste. Wir wollen die Regale untersuchen und nach Büchern Ausschau halten, die wir herausziehen können. Nach echten Büchern, die wir vielleicht lesen können.«
    »Nein!«, erwiderte das Trio im Chor. Alle waren enttäuscht, da sie wussten, dass es dort keine echten Bücher gab. »Ist doch Quatsch, reine Zeitverschwendung!«
    »Jeder, der ein echtes Buch findet, bekommt einen großen Beutel mit süßem Hanfgetränk«, verkündete Jebrassy. »Und egal, ob wir was finden oder nicht, teilen wir uns drei Beutel, sobald wir zurück sind, damit jeder gut abgefüllt nach Hause ziehen kann. Wer nicht mitmacht, geht allerdings leer aus.«
    Das motivierte sie immerhin so weit, dass sie sich Khren und Jebrassy anschlossen, als die beiden die mittlere Brücke zur ersten Insel überquerten.
    Da die unteren Ebenen noch bewohnt waren, nahmen sie nicht den Haupteingang, sondern gingen außen herum, wichen den an den Aufzügen wartenden Grüppchen aus und stiegen eine Wendeltreppe hoch, die durch einen der zahlreichen Belüftungsschächte führte. Die Stufen waren voller Sand: Offenbar wurde diese Treppe kaum noch benutzt.
    Alle trafen sich im zehnten Stock wieder und blieben dort abwartend stehen, denn hier sollten sie sich auf Tiadbas Anweisung hin sammeln. Schon seit mindestens einer Generation standen auf dieser Seite des Blocks alle Etagen oberhalb des zehnten Stocks leer, nachdem es hier innerhalb eines einzigen Schlaf-Wach-Zyklus drei Überfälle gegeben hatte. Das mochte Zufall gewesen sein, doch der Schock hatte ausgereicht, sämtliche
Familien und selbst junge Alleinstehende aus diesem Komplex zu vertreiben. Keine der Nischen wies Anzeichen dafür auf, dass sie in jüngster Zeit bewohnt gewesen wäre. Die Räume waren mit zerbrochenem Mobiliar und Schutt übersät, außerdem auch von Kot, den auf Abwege geratene Buchstabenkäfer oder Pedes hinterlassen haben mochten.
    Während Jebrassy auf und ab stapfte, blickte er auf die strahlenförmig angelegten Gänge. In dem von unten aufsteigenden Luftzug wuselten zwei Buchstabenkäfer orientierungslos umher – zu wenige, zu weit von ihren Artgenossen entfernt und zu verwirrt, als dass sie interessante Wörter hätten

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