Die Stadt der gefallenen Engel
nicht sein, denn er weiß, dass ich Lara direkt zum Portal bringen würde, wenn ich mit ihr auf dem Weg in die Hölle wäre.«
»Was können wir tun?« Gabriels Stimme klang angespannt.
»Wir müssen Lara suchen. Asiszaar wird bald herausfinden, dass der Professor ihn belügt. Dann wird er die Spur erneut aufnehmen und sie weiter jagen. Vielleicht ist er nicht allein in diese Welt gekommen und er hat Dämonen, die ihn unterstützen. Aber er könnte auch hier Menschen oder Dämonen dazu gezwungen haben, ihm zu helfen. Asiszaar kennt kein Erbarmen beim Erreichen seiner Ziele und er gibt niemals auf.«
»Dann sollten wir keine weitere Zeit verlieren.«
Damian nickte. Alles in ihm drängte danach, sofort das Haus zu verlassen und nach Lara zu suchen. Sein Herz raste bei dem Gedanken an die Gefahr, in der sie schwebte. Doch bevor sie sich auf den Weg machen konnten, blieb noch etwas zu tun. Er wusste, wie sehr Lara ihre Großeltern liebte. Und er wusste, dass es umgekehrt genauso war.
Er ging zur Telefonstation und wählte die Notrufnummer. Laras Großmutter sollte nicht hilflos und verletzt zurückbleiben. Die alte Dame hatte in ihrem Leben bereits genug erlitten.
64.
Laras Gedanken kreisten unablässig um eine einzige Frage: Was sollte sie jetzt tun? Sie war so verzweifelt und fühlte sich so einsam wie noch niemals zuvor in ihrem Leben. Und da war noch ein anderes Gefühl, das gerade an die Oberfläche stieg, Raum und Aufmerksamkeit in ihrem Bewusstsein gewann.
Etwas veränderte sich in ihr. Sie konnte es ganz deutlich spüren. Unruhe machte sich in ihr breit, fraß sich wie Flammen durch ihren gesamten Körper. Lara erschauerte, fröstelte und gleichzeitig wurde ihr so heiß, dass ihr der Schweiß ausbrach.
Was geschieht mit mir?
Ihr Kopf ruckte herum. Der Mann mit der Zeitung starrte sie an. Lara versuchte, ihn zu ignorieren, aber sie spürte förmlich, wie sich seine Blicke in ihren Schädel bohrten. Wütend sah sie auf und blickte ihm direkt in die Augen. Er war jünger, als sie anfangs gedacht hatte, und hatte ein argloses Gesicht, aus dem sie leuchtend blaue Augen anschauten. Seine Mimik veränderte sich, nahm einen erschrockenen Ausdruck an, als er Lara anstarrte. Irgendetwas an diesem Typ war sonderbar. Er sah sie an, als habe er ein Monster vor sich.
Kenne ich den Mann?
Lara forschte in ihrem Gedächtnis. Nein, sie hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Aber warum sah er sie dann so merkwürdig an? An ihrem Aussehen konnte es nicht liegen, denn ihre Haare waren inzwischen fast getrocknet und ihre Augen fühlten sich auch nicht mehr so verquollen an.
Lara senkte den Kopf und verbarg ihr Gesicht hinter der Zeitung, dabei beobachtete sie ihn weiter. Der Mann sah gut aus. Markantes Gesicht, blonde Haare, die unter der aufgesetzten Baseballmütze kaum auszumachen waren. Seine schlanken Hände ruhten bewegungslos auf der Tischplatte. Lara bemerkte, dass er eine dunkle Jacke und ein weißes Hemd trug. Nichts Auffälliges. Es war die Art, wie er aufrecht dasaß und sie anblickte, die ihr ein merkwürdiges Gefühl bereitete.
Sie wollte gerade aufstehen und zu ihm hinübergehen, als er sich abrupt erhob und hastig das Restaurant verließ. Lara sah ihm nach und fragte sich, ob er geahnt hatte, dass sie ihn auf sein Verhalten ansprechen wollte.
»Entschuldigung«, erklang plötzlich eine Stimme neben ihr. Lara zuckte zusammen und wandte sich um. Vor ihr stand eine Frau Anfang vierzig im dunkelblauen Kostüm und weißer Bluse. Ein Namensschild auf dem Blazer verriet, dass die Frau Bettina Rocker-Mandt hieß und die zuständige Restaurantleiterin war. Lara blickte in ein hübsches, aber energisches Gesicht.
»Darf ich fragen, warum Sie unser Restaurant besuchen?«
Die Frage war verständlich. Sie saß seit geraumer Zeit hier herum und benutzte die Waschräume, ohne etwas zu bestellen.
»Ich warte auf jemanden.«
Die Restaurantleiterin schaute demonstrativ auf ihre Armbanduhr. »Seit schätzungsweise dreißig Minuten. Anscheinend kommt er oder sie nicht mehr.«
Lara wollte etwas erwidern, wurde aber unterbrochen.
»Dies ist ein Restaurant, kein Aufenthaltsraum. Ich muss Sie bitten, jetzt etwas zu bestellen oder zu gehen. Möchten Sie etwas bestellen?«
»Im Augenblick noch nicht.«
»Dann …« Die Hand der Frau legte sich auf ihre Schulter.
Mit der Berührung kam die Wut. Ohnmächtiger Zorn, der sie übermannte und mit sich fortspülte. Ohne es zu wollen, streckte Lara ihre Hand aus und stieß mit der
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