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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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bestätigte Marysa. «Deshalb will ich möglichst wenig mit ihm zu tun haben.»
    «Marysa? Wo steckst du?», schallte Reinolds Stimme durchs Haus.
    Sie öffnete die Tür zu dem schmalen Flur. «Hier unten, Meister Reinold.»
    «Was machst du denn da? Warum hast du dich nicht schon längst auf den Weg zum Zunfthaus gemacht, um dort Klas’ Tod bekannt zu geben?»
    «Aber ja doch, ich gehe sofort los. Dann muss Fita mich aber begleiten, denn Grimold bringt meine Mutter schon nach Hause.»
    «Ja, ja, dann geh jetzt. Aber halt dich nicht zu lange auf.»
    Marysa verdrehte die Augen. «Gewiss nicht. Aber ich muss dort auch noch Aldos Tod melden. Es kann also schon ein bisschen dauern.»
    «Ach was.» Reinolds drahtige Gestalt erschien auf der Treppe. «Wenn ich sage, du beeilst dich, dann tust du das auch. Und sag Balbina, dass sie sich auf einen Leichenschmaus einrichten soll.»
    «Wir wissen aber doch noch gar nicht, wann wir Klas beerdigen dürfen», wandte Marysa vorsichtig ein.
    Reinolds Miene verfinsterte sich. «Das wird schon nicht so lange dauern, oder? Bei diesem Wetter können sie ihn ja wohl nicht tagelang hier im Haus verfaulen lassen.»
    «Meister Reinold!», rief sie entsetzt.
    «Nun geh endlich, oder muss ich das am Ende noch selbst erledigen?» Mürrisch wandte sich Reinold ab und ging wieder nach oben, wo er etwas zum Büttel sagte, das wie eine Klage über störrische Eheweiber klang.
    Ihre Mutter legte ihr mitfühlend eine Hand an die Wange. «Kommst du alleine zurecht?»
    «Natürlich.» Marysa zuckte mit den Schultern. «Du kennst ihn doch. Geh ruhig mit Grimold nach Hause, Mutter.»
    Nachdem Jolánda das Haus verlassen hatte, suchte Marysa nach Fita und machte sich mit ihr auf den Weg zum Zunfthaus, um die beiden Unglücksnachrichten zu überbringen.

4. Kapitel
    M eister Reinold, Ihr tut mir weh.» Marysa verzog gequält das Gesicht.
    Reinold grunzte verstimmt und rollte sich von ihr herunter. Vor sich hin brummelnd stand er auf. Im Zwielicht des Mondscheins, der durch das wegen der warmen Nachtluft weit geöffnete Fenster fiel, zog er sich an. «Ich gehe hinunter in die Werkstatt. Bei der Hitze kann man sowieso nicht schlafen.»
    Marysa atmete auf und zog rasch die Decke über ihren nackten Leib. Sie für ihren Teil würde jetzt, da ihr Gemahl den Raum verlassen hatte, sicherlich schlafen können. Der Tag war lang und anstrengend gewesen, und ihre Gedanken kreisten noch immer unaufhörlich um Aldo und Klas. Dass Reinold trotz der Vorfälle an diesem Tag auf dem Vollzug ihrer ehelichen Pflichten bestanden hatte, ärgerte sie, denn es verdeutlichte ihr wieder einmal, wie wenig er sich aus ihren Gefühlen oder Gedanken machte.
    Obwohl sie wusste, dass sie sich ihr Los selbst erwählt hatte und sie Reinolds Zudringlichkeiten meistens mit Gleichmut über sich ergehen ließ, wollte es ihr heute nicht gelingen. Seine Gefühllosigkeit hatte sie diesmal tief verletzt, immerhin war Aldo ihr Bruder gewesen. Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr ärgerte sie sich über Reinold, und in ihrer Magengrube ballte sich ein heißer kleiner Knoten zusammen.
    Ihr Blick fiel auf den noch immer versiegelten Brief ihres Bruders, den sie auf der kleinen, messingbeschlagenen Truhe neben dem Bett abgelegt hatte, in der sie ihre persönlichen Dinge aufbewahrte. Sie hatte sich noch nicht dazu durchringen können, das Schreiben zu öffnen. Der Gedanke an Aldo schnürte ihr jetzt, im Dunkel der Nacht, die Kehle zu. Wie sehr sie ihren Bruder vermisste; seinen unerschütterlichen Humor, seine Feinfühligkeit. Hätte er nicht diese unselige Neigung zu Männern gehabt und eine Frau geheiratet, hätte er diese sicherlich sehr glücklich gemacht.
    Doch daran war nicht zu denken gewesen. Schwesterchen, hatte er in der ihm typischen Art gesagt, als er ihr von seiner heimlichen Leidenschaft erzählt hatte. Es wird wohl an dir sein, das Geschlecht unserer Familie zu erhalten. Auch wenn es nur in der weiblichen Linie ist. Er hatte sogar erwogen, in ein Kloster einzutreten, doch ihr Vater hätte das nicht geduldet. Und letztlich war Aldo auch nicht für ein klösterliches Leben bestimmt gewesen. Doch nun war er für immer von ihr gegangen.
    Marysa starrte in die Dunkelheit, die noch von dem hässlichen geblümten Betthimmel überschattet wurde, den Reinold zur Hochzeit über dem Ehebett hatte anbringen lassen. Ihre Augen brannten, doch Tränen kamen keine.
    Sie hätte mit dem Leben, das Reinold ihr bot, durchaus glücklich sein

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