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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Heiltümer, die in letzter Zeit hier kursieren, nicht echt sind.»
    «Meister Enno!» Erschrocken hob Gerharda den Kopf und starrte ihren Gemahl an. «Wie könnt Ihr so etwas behaupten?»
    Marysa sagte nichts dazu, obwohl sie ihrem Schwiegervater im Stillen recht gab. Gefälschte Reliquien wurden derzeit massenweise unters Volk gebracht. Doch die meisten waren von echten Heiltümern nicht zu unterscheiden, jedenfalls nicht, wenn sie auf die rechte Art hergestellt wurden.
    Enno zuckte nur mit den Schultern. «Für wichtiger halte ich die Frage, wie euer Klas an solch ein falsches Knöchelchen gelangt ist und was er damit wollte.»
    «Vielleicht hat er es irgendwo gekauft und wusste gar nicht, dass es nicht echt ist», warf Jolánda ein. Sie war noch immer etwas blass, und um ihre Augen lagen dunkle Ringe, die von einer durchwachten Nacht zeugten. Doch schien sie sich wieder gefangen zu haben und bemühte sich sichtlich, einen klaren Kopf zu bewahren.
    «Dann kann er es aber noch nicht lange besitzen, denn sonst hätte er uns doch schon davon erzählt.» Marysa schob ihren Becher von sich. «Er hätte bestimmt damit angegeben, schon um Imela zu beeindrucken. Und es erklärt auch nicht, warum man ihn mitten im Dom erschlagen hat.»
    «Was hat Reinold gestern dort getrieben?», wollte Enno wissen. «Ich dachte, er sei so beschäftigt gewesen.»
    «War er auch», bestätigte Marysa. «Aber die Kanoniker vom Marienstift hatten ihm noch immer nicht seine Verkaufsnische bestätigt, deshalb hat er sich mit ihnen auf dem Parvisch getroffen. Reinold hat befürchtet, sie würden ihn übergehen.»
    «Hm, wäre nicht das erste Mal», knurrte Enno. «Er war also auf dem Parvisch, ja? Das können die Dompfaffen bezeugen? War er auch im Dom?»
    «Ich weiß es nicht.» Marysa senkte den Kopf. «Warum sollte er?»
    «Ja, warum?», wiederholte Gerharda mit Verzweiflung in der Stimme. «Mein Junge ist doch kein Mörder! Er hätte gar keinen Grund und … und …» Wieder schluchzte sie und schnäuzte sich in ihren Ärmel.
    Jolánda legte ihr einen Arm um die schmalen Schultern und redete leise auf sie ein.
    «Ich will beim Stadtrat Beschwerde gegen die Inhaftierung einlegen», sagte Marysa.
    Enno, der seinen Gang durch die Stube wieder aufgenommen hatte, nickte. «Das werde ich übernehmen. Ich kenne ein paar der Ratsherren persönlich. Auch werde ich zwei oder drei Zunftmeister als Bürgen mitnehmen. Ihr beiden», er blickte von Marysa zu seiner Gemahlin, «ihr geht noch heute zur Acht und versorgt Reinold mit dem Nötigsten. Decken, Essen, ein Krug Wein und so weiter. Seht zu, dass er eine saubere Zelle bekommt, wenn nötig, bezahle ich dafür.»
    «Danke, Meister Enno, das ist nicht nötig», wehrte Marysa entschieden ab. «Wir bezahlen das selbst.»
    Er nickte ihr zu. «Dann macht euch gleich auf den Weg, aber lasst euch von Grimold und Tibor begleiten. Man weiß ja nicht, wer sich zwischen den Pilgern noch herumtreibt. Heute früh habe ich am Marktplatz eine Gruppe zerlumpter Minderbrüder gesehen. Die kamen von irgendwoher, die Sprache kannte ich nicht. Aber sie haben jeden angebettelt, der ihnen zu nahe kam. Und ein Ablassprediger ist in der Nähe des Prangers herumgeschlichen.»
    «Ein Ablassprediger?» Marysa, die gerade auf dem Weg zur Tür war, drehte sich erstaunt um. «Ein großer Dominikaner mit dunklem Haar?»
    Enno blinzelte erstaunt. «Kennst du ihn etwa?»
    «Das ist Bruder Christophorus, der uns von Aldos Tod berichtet hat.» Sie warf ihrer Mutter einen kurzen Blick zu.
    «Ach?» Enno zuckte zusammen. «Ich muss schon sagen, ein merkwürdiger Mann. Wanderte umher und erzählte den Leuten was davon, dass derjenige, der ohne Sünde sei, den ersten Stein werfen soll.» Um Ennos Mundwinkel zuckte es plötzlich. «Andererseits hat er damit vermutlich ein gutes Geschäft gemacht.»
    «Ein gutes Geschäft?»
    «Wer ein schlechtes Gewissen hat, lässt sich leicht dazu bewegen, einen Ablassbrief zu kaufen.»
    Marysa wandte sich mit einem leisen Schnauben wieder ab. «Wer sich noch ein paar Tage gedulden kann, bekommt bei der Heiltumsweisung doch sogar einen vollkommenen Ablass. Wozu also noch einen Brief kaufen?»
    Enno hob die Schultern. «Zur Sicherheit. An den vollkommenen Ablass sind Bedingungen geknüpft, wie du weißt. Beichte, Besuch der Messe im Dom und Huldigung der Heiltümer am selben Tag. Außerdem eine angemessene Opfergabe. Nicht jeder Pilger wird dies alles erfüllen können. So ist es doch nur natürlich, dass

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