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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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sich die Leute absichern wollen, meinst du nicht?»
    Marysa verzog missbilligend die Mundwinkel und wandte sich an ihre Schwiegermutter. «Kommt, Frau Gerharda, wir packen jetzt einen Korb für Reinold.»
    Gerharda atmete sichtlich auf und folgte ihr, und auch Jolánda schloss sich ihnen an.
    Während sie noch darauf warteten, dass Balbina ihnen großzügige Portionen aus der Speisekammer zusammenstellte, brach Enno bereits zum Zunfthaus auf, um sich dort die Bürgen für seinen Einspruch beim Schöffenkolleg des Stadtrates zu besorgen.

6. Kapitel
    D u verdammter Idiot!»
Der junge Priester gab einen Schmerzenslaut von sich, als ihn die Ohrfeige traf.
    «Ist dir nichts Besseres eingefallen, als ausgerechnet den Dom zu entweihen? Hätte es eine stille Seitengasse nicht auch getan? Und warum hast du ihn dort liegen lassen?»
    «Verzeiht, aber es war keine Zeit mehr, den Jungen …»
    «Schweig! Hättest du ihm wenigstens das Reliquiar abgenommen. Jetzt können wir nur hoffen, dass die Schöffen und die Stiftsgerichtsbarkeit die richtigen Schlüsse daraus ziehen.»
    Der Priester zog in der darauf folgenden Stille den Kopf ein. Bei den nächsten Worten seines Gegenübers wurde er blass: «Bete, mein Freund. Bete dafür, dass sie ihn richten!»

7. Kapitel
    C hristophorus kniete vor einem der kleinen Seitenaltäre in der Pfarrkirche St. Follian, die dem Dom genau gegenüber lag, und gab den Anschein, tief in ein Gebet versunken zu sein. In Wahrheit überlegte er jedoch gerade, ob er sich mit den Einnahmen des heutigen Tages ein gutes Mahl leisten sollte. Einen Teil des Geldes würde er natürlich in den Opferstock stecken, der vor dem Parvisch angebracht war. Und der größte Teil würde für später in seiner Geldkatze verbleiben. Aber für einen guten Happen aus einer der Garküchen oder Wirtshäuser würde es noch immer reichen. Heute, am heiligen Sonntag, gab es zwar auch bei den Dominikanern ein üppiges Mahl, doch Christophorus hatte nicht vor, daran teilzunehmen. Im Namen seiner päpstlichen Bulle würde er sich aufopferungsvoll den armen Seelen widmen, die sich vorsichtshalber noch einen Ablassbrief für ihre schlimmsten Sünden sichern wollten, nur für den Fall, dass sie während der vierzehntägigen Heiltumsweisung nicht alle Bedingungen erfüllen konnten, die an die Gewährung des vollkommenen Ablasses geknüpft waren. Christophorus bestärkte sie natürlich darin, hatte man doch allen Grund anzunehmen, dass schon allein der Besuch der heiligen Messe im Dom für den Großteil der Pilger ein frommer Wunsch bleiben würde. Und wollte man womöglich einen weiteren Ablass für nahe Verwandte, Freunde oder kürzlich verstorbene Familienmitglieder erwirken, musste man die Prozedur mehrmals wiederholen. Ein vollkommener Ablass wurde nämlich nur einmal am Tag gewährt.
    Aus diesen und anderen Gründen hatten sich die Menschen beinahe um seine kunstvoll gestalteten Ablassbriefe gerissen, ihm klaglos die geforderten Münzen überlassen und ihn die Namen derer in die entsprechenden Lücken eintragen lassen, für die die Befreiung der Sündenstrafe gedacht war.
    Wohl war er nicht der einzige Ablasskrämer in der Stadt. Wie Christophorus den Gesprächen am Marktplatz entnommen hatte, gab es noch einen ältlichen Franziskaner, der jedoch hauptsächlich in den Zeltlagern vor den Stadtmauern und in den Randbezirken Aachens sein Geschäft machte. Christophorus störte sich nicht daran. In einer Stadt, die bis zur Kirmes mehrere zehntausend Menschen beherbergen würde, gab es für jeden von ihnen ausreichend Kundschaft.
    Für heute musste es jedoch genug sein. Er hatte vor, am späten Nachmittag noch einmal bei Marysa Markwardt vorzusprechen. Die Nachricht von der Inhaftierung ihres Gemahls hatte sich natürlich bereits herumgesprochen, und Christophorus fand, dies sei eine passende Gelegenheit, sein Versprechen zu erfüllen. Zwar war ihm noch nicht ganz klar, wie seine Hilfe aussehen könnte, doch ihm würde schon etwas einfallen.
***
    Besorgt blickte Marysa sich in der kleinen Gefängniszelle um. Ein Strohsack, ein grauer Wasserkrug und ein Fäkalieneimer mit Deckel waren die einzigen Einrichtungsgegenstände. Von Wand zu Wand maß der Raum gut dreieinhalb Schritte. Trist, kam es ihr in den Kopf, jedoch nicht so schrecklich, wie sie es sich ausgemalt hatte. Die Strohmatratze schien ganz neu zu sein, in der Luft hing noch ein leichter Duft nach getrocknetem Gras.
    Vorsichtig stellte sie ihren großen Korb darauf ab, entnahm

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