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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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ihm eine große Wolldecke und breitete sie sorgsam aus. Dann stellte sie den mitgebrachten Wein und die irdenen Schüsselchen mit dem kalten Braten und dem Gemüsebrei auf den Boden.
    «Geht es Euch wohl, Meister Reinold?», fragte sie. «Frau Gerharda und Frau Jolánda lassen Euch grüßen. Sie warten unten, weil der Wachtmann nur einen Besucher einlassen wollte. Ich habe ihm genug Geld gegeben, dass Ihr ein paar Tage hier oben bleiben könnt. Natürlich hoffen wir alle, dass Ihr schon recht bald wieder heimkehren dürft. Euer Vater ist bereits zu den Schöffen unterwegs, um Einspruch gegen Eure Verhaftung einzulegen.» Ratlos, da er nicht auf ihre Worte reagierte, schwieg sie.
    Reinold stand an dem schmalen vergitterten Fensterchen und starrte hinunter auf den Kaxhof, den Platz zwischen Dom und Rathaus, auf dem der städtische Pranger, der Kax, stand, der auch als Richtstätte diente. Zwischen seinen Augen hatte sich eine steile Falte gebildet. Eine Weile verharrten sie, ohne etwas zu sagen, dann drehte er sich plötzlich zu Marysa um.
    «Die wollen mir das anhängen. Die verdammten Dompfaffen wollen mir den Mord an Klas anhängen! Warum, Marysa? Sag mir das!»
    Sie hob die Schultern, doch er achtete gar nicht darauf.
    «Und dann das Gewäsch wegen dieses Heiligenknöchelchens. Solche Fälschungen gibt es zuhauf, das wissen die doch selbst. Warum sollte ich meinen Gesellen deswegen erschlagen? Wenn er sein Geld für derlei Firlefanz aus dem Fenster wirft, ist das doch nicht mein Problem!»
    «Meister Reinold, das ist es doch», wagte Marysa ihm zu widersprechen. «Wenn die Kanoniker glauben, Ihr habet diese Fälschungen hergestellt, werden sie Euch wegen Blasphemie anklagen.»
    «Unsinn, ich habe damit nichts zu tun. Das weißt du doch.» Er blickte ihr zum ersten Mal ins Gesicht. «Du weißt genau, dass ich keine Reliquien verkaufe. Weder Fälschungen noch echte. Und das kann mir auch niemand nachweisen.» Er drehte sich wieder dem Fenster zu. «Finde heraus, warum sie ausgerechnet mir die Sache anhängen wollen. Und sieh zu, dass ich hier wieder rauskomme.»
    Marysa starrte verblüfft seinen Rücken an. «Aber Meister Reinold, wie soll ich das denn machen?»
***
    Nach ihrer Rückkehr aus dem Gefängnis warteten Marysa, ihre Mutter und Gerharda ungeduldig auf Ennos Rückkehr vom Rathaus. Es läutete jedoch bereits zur Non, als er endlich wieder in der Stube saß und berichtete.
    Leider hatte er nicht viel ausrichten können, und selbst die drei Zunftbrüder, die vor den Schöffen für Reinolds guten Leumund gebürgt hatten, waren unverrichteter Dinge wieder gegangen. Der Mord im Dom war inzwischen zum Stadtgespräch geworden, und die Gerüchte über gefälschte Reliquien gaben dem Ganzen natürlich noch mehr Zündstoff. Die Schöffen hatten sich mit den Kanonikern des Marienstifts darauf geeinigt, Reinold so lange in der Acht festzuhalten, bis seine Schuld oder Unschuld erwiesen war.
    «Wahrscheinlich werden sie heute oder morgen ein paar Männer schicken, die die Werkstatt nach Hinweisen absuchen», sagte Enno zu Marysa gewandt. «Du solltest ihnen Zugang zu allen Räumen gewähren, damit sie sehen, dass ihr nichts zu verbergen habt. Auch ist es sehr gut möglich, dass sie dich ebenfalls im Rathaus befragen wollen.»
    Marysa sah ihren Schwiegervater erschrocken an, doch er beruhigte sie: «Du brauchst selbstverständlich nicht alleine dorthin zu gehen. Ich werde dich begleiten, denn es kann niemand von dir verlangen, ohne familiären Beistand vor die Schöffen zu treten.» Enno ließ sich auf die Kante einer der beiden Sitzbänke sinken und seufzte. «Die Sache wäre vielleicht weniger vertrackt, wenn Klas nicht ausgerechnet mitten im Dom gefunden worden wäre. Wenn ich das richtig verstanden habe, steht die gesamte Heiltumsfahrt nun auf dem Spiel, denn Rat und Marienstift müssen versuchen, den Bischof dazu zu bewegen, den Dom von der Schändung freizusprechen. Normalerweise dauert so eine Prozedur mehrere Wochen, aber bis zur Kirmes sind es nur noch sieben Tage.» Er straffte die Schultern. «Doch wir dürfen uns nicht entmutigen lassen. Ich bin sicher, dass der wahre Mörder noch gefunden wird und Reinold bald wieder unter uns weilt. Ohne konkrete Beweise oder Zeugen, die ihn bei der Tat beobachtet haben, dürfen sie ihn schließlich nicht lange festhalten.»
    «Er glaubt, die Kanoniker wollen ihm den Mord anhängen», warf Marysa unsicher ein. «Weshalb sollten sie das tun? Wir hatten immer ein gutes

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