Die Stadt der Heiligen (German Edition)
Bußfertigkeit an den Tag legt, ganz gewiss.»
«Ha, jetzt spricht der Ablasskrämer aus Euch», lachte Amalrich. «Aber gebt Euch keine Mühe. An Demut mangelt es mir nicht, an Geld jedoch schon, deshalb kann ich Euch keine Eurer Urkunden abkaufen. Dies ist auch gar nicht nötig, denn vor Jahren, als meine Börse noch besser gefüllt war, nahm ich schon an der Heiltumsweisung teil und konnte alle Bedingungen erfüllen, die der absolute Ablass erfordert, der zu diesem Fest verkündet wird. All meine vergangenen und zukünftigen Sündenstrafen sind damit getilgt, und ich werde dereinst an der Seite des Herrn im himmlischen Reich speisen.» Sein Grinsen wurde noch breiter. «Nun, zumindest werde ich einen Stehplatz ergattern.» Amalrich zwinkerte Christophorus zu. «Folgt mir, ich möchte Euch etwas zeigen.»
***
«Warum hast du mir denn nicht gleich von dem Vorfall erzählt?», fragte Marysa ihre Mutter am folgenden Vormittag. Jolánda war vorbeigekommen, um Reinold zu begrüßen, der noch am späten Abend des Vortages nach Hause zurückgekehrt war. Doch der Schreinbauer schlief noch, und die beiden Frauen hatten sich derweil in die Laube gesetzt, um die noch angenehm kühle Morgenluft zu genießen. Nur wenig später hatte Grimold einen Besucher gemeldet und Bardolf Goldschläger zu ihnen geführt. Und so erfuhr Marysa erst jetzt von dem Vorfall der vorletzten Nacht.
Jolánda blickte verlegen auf ihre Hände. «Ich bin einfach nicht dazu gekommen, weißt du. Erst die Beerdigung, dann die Aufregung wegen der Haussuchung. Es hat sich einfach nicht ergeben. Aber heute hätte ich dir bestimmt davon erzählt, wenn mir Meister Goldschläger nicht zuvorgekommen wäre.»
«Ich wollte unbedingt sehen, wie es Euch geht», sagte dieser lächelnd in Jolándas Richtung. «Und es freut mich ungemein, dass sich diese schlimme Sache so rasch aufklären konnte, Frau Marysa. Zwar wäre ich Euch und Eurer Frau Mutter gerne zu Diensten gewesen, aber so ist es doch noch viel besser. Ich hoffe, Euer Gemahl ist wohlauf?»
Marysa nickte. «Er ruht sich noch aus, doch glücklicherweise war die Haft nicht so unangenehm, wie wir befürchtet hatten. Man gab ihm eine recht annehmbare Zelle im Obergeschoss der Acht.»
Bardolf nickte. Er kannte diese Zellen für die Wohlbetuchten vom Hörensagen.
Marysa musterte den Goldschmied unauffällig und fand ihn sehr sympathisch. Er erinnerte sie weniger vom Aussehen als vielmehr vom Wesen her stark an seinen Vater, der früher des Öfteren bei ihnen zu Besuch gewesen war. Und mit einigem Erstaunen nahm sie wahr, dass er und ihre Mutter einander immer wieder heimlich Blicke zuwarfen, wenn sie glaubten, der andere merke es nicht.
«Darf ich Euch etwas Wein anbieten, Meister Goldschläger?» Marysa reichte ihm einen gefüllten Becher.
Bardolf nahm ihn dankend an. «Wie ich sehe, habt Ihr eine Laute bei Euch? Dann habe ich Euch gewiss beim Musizieren gestört. Ich will Euch nicht lange aufhalten.»
«Aber keineswegs!», rief Jolánda. «Meine Tochter wollte mir gerade etwas vorsingen, und gewiss wird sie sich freuen, in Euch einen weiteren Zuhörer zu finden.»
«Nun, wenn es Euch nichts ausmacht …»
«Aber gewiss nicht», lächelte Marysa. «Ich singe gerne für Euch, allerdings müsst Ihr entschuldigen, wenn meine Stimme etwas eingerostet ist. Ich komme nicht mehr oft zum Üben.»
Sie nahm die Laute, die neben ihr an der Bank lehnte, stimmte sie und begann dann:
«Ich han in ainem garten gesehen
czwo rosen gar in liechtem schein,
ich sprich fürwar, ir liechtes prehen
hat durchfrewt das hercze mein.
Czu der ain so get ein a,
der andern hab der mues ich yehen,
würd mir von ir ein freuntlich ya,
so geschäch mir wol und nymmer we.»
Bardolf und Jolánda hörten ihr andächtig zu, dann fiel der Goldschmied unvermittelt mit ein:
«Wurd mir der rosen ein krenczelein,
darunder wurd ich nymmer gro,
sy durchfrewt das hercze mein,
in irem dinst so pin ich fro.»
Während er sang, blickte er Jolánda erstmals geradewegs in die Augen. Sie errötete und senkte rasch den Blick auf die Handarbeit, die in ihrem Schoß lag, wagte jedoch nicht, auch nur einen weiteren Stich mit ihrer Sticknadel auszuführen – aus Angst, er würde das Zittern ihrer Finger bemerken.
***
Christophorus blieb am Tor zum Hof des Schreinbauers Markwardt stehen, das halb offen stand, weil Grimold damit beschäftigt war, Brennholz von einer großen Handkarre hineinzutragen.
Trotz des Lärms auf der Straße war deutlich Marysa zu
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