Die Stadt der Heiligen (German Edition)
van Kettenyss schlecht gelaunt. «Aber seid gewahr, dass die Sache noch nicht ausgestanden ist.» Er warf Marysa noch einen finsteren Blick zu und verließ den Hof durch das große Tor, das Grimold ihm eilig öffnete. Van Eupen und die Amtmänner folgten ihm etwas langsamer. Auf der Straße verabschiedeten sie sich förmlich und gingen dann rasch davon.
Während Marysa ihnen noch nachblickte, kam ihre Mutter aus dem Haus und trat neben sie. «Das wäre dann wohl überstanden. Ein unangenehmer Mensch, dieser Kanoniker.»
Marysa nickte. «Fast so ungehobelt wie der Domherr Scheiffart. Ich bin froh, dass es vorbei ist.» Sie schüttelte sich bei dem Gedanken, dass der Amtmann in ihren Kleidern und wahrscheinlich sogar in ihrer Unterwäsche gewühlt hatte. Doch das war jetzt nicht mehr zu ändern.
Kurz fiel ihr Aldos Brief ein, den sie ganz unten in ihrer Truhe versteckt hatte. Anscheinend war er dem Amtmann zwischen den anderen Papieren nicht weiter aufgefallen. Ein Glück, wie sie fand, denn bestimmt hätte er ihn mitgenommen. Doch die Abschiedsworte ihres Bruders gingen niemanden außer ihr etwas an.
Ihr Herz krampfte sich bei der Erinnerung an Aldo zusammen, und sie schloss für einen Moment die Augen.
«Komm mit ins Haus, der Konkavelite ist fertig.» Aufmunternd legte Jolánda ihrer Tochter einen Arm um die Schultern.
14. Kapitel
W arum wurde nicht eine falsche Reliquie in dem Haus gefunden?», donnerte es durch den großen Saal, dass der junge Priester den Kopf einzog.
«Verzeiht, aber es gab keine Gelegenheit …»
«Pah, keine Gelegenheit. Du dämliches Otterngezücht! Wozu schicke ich dich denn dorthin, wenn du es dann nicht einmal schaffst, ein paar Knochensplitter unter eine der Werkbänke zu schmeißen?»
«Aber ich hatte wirklich keine Gelegenheit.» Der Priester hob den Kopf wieder und sah seinem Gegenüber mit einem letzten Rest Mut ins Gesicht. «Ich konnte es nicht. Die Frau hat doch nichts damit zu tun, und ich halte es für einen schrecklichen Plan, ihr und ihrer Familie auf solche Weise die Lebensgrundlage zu zerstören.»
«Aber die unsere bist du ohne weiteres bereit zu opfern, wie?», sagte die höhnische Stimme, deren Besitzer sich nun angewidert von dem Priester abwandte. «Verschwinde in die Bibliothek und vergrabe dich meinetwegen in deinen theologischen Abhandlungen. Aber eines ist sicher: Die Sache ist noch nicht beendet. Und du wirst mir dabei helfen, sie zu bereinigen. Das bist du mir schuldig. Sei gewiss, mir wird schon bald eine Lösung einfallen.»
«Gewiss.» Der Priester zog den Kopf wieder zwischen die Schultern und verließ den Saal mit einem dumpfen Gefühl der Angst im Herzen.
15. Kapitel
I hr sucht nach den gefälschten Reliquien, nicht wahr?»
Neben Christophorus, der gerade den Kaxhof überquerte, tauchte ein verhutzeltes Männchen unbestimmbaren Alters mit einem langen grauweißen Bart und wirrem langem, schlohweißem Haar auf. Der Mann stützte sich auf einen alten zerkratzten Pilgerstab, wirkte jedoch nicht gebrechlich, sondern ausgesprochen gesund und fidel. Seine hellblauen Augen blitzten vergnügt. «Da seid Ihr hier beim Dom gar nicht so falsch.»
Christophorus blieb stehen und musterte das Männchen erstaunt. «Wer bist du, und was weißt du über die falschen Reliquien?»
«Ah, jetzt zeigt Ihr sogleich das typische Gehabe eines Inquisitors, Bruder Christophorus. Ja, ja, ich kenne Euch. Hab Euch die letzten Tage häufig in der Stadt gesehen. Mein Name ist Amalrich.» Das Männchen verbeugte sich. «Ich bin Pilger, wie Ihr seht, und einst nach Aachen gekommen, um das wunderbare Bauwerk zu Ehren unserer Gottesmutter zu bestaunen, welches nun auf so schändliche Weise besudelt wurde.» Amalrich grinste und entblößte dabei zwar vollständige, jedoch gelblich verfärbte und schon ziemlich abgenutzte Zähne. «Aus Lübeck kam ich, das ist jetzt fast zwanzig Jahre her.»
«Und seither weilt Ihr in Aachen?» Christophorus lächelte amüsiert zurück. Er hatte schon von solchen ewigen Pilgern gehört, ja selbst welche getroffen, wenn diese auch die langen Reisen nach Jerusalem oder Santiago vorzogen. Die meisten von ihnen hatten in ihrer Heimat so viel auf dem Kerbholz, dass ihnen nur die Pilgerschaft blieb, wollten sie nicht im Kerker oder am Galgen enden.
«Ich sehe Euch an, dass Ihr ein Mann von Welt seid, Bruder Christophorus. Sicher stimmt Ihr mir zu, dass ein Leben als Pilger durchaus gottgefällig ist.»
«Wenn Ihr es in Demut führt und die gebotene
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