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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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«Ich hoffe doch, dass Ihr mir gestattet, Euch in wenigen Wochen Tochter nennen zu dürfen?»
    «Wie?» Marysa war noch immer vollkommen verdattert.
    Jolánda konnte nun auch nicht anders und lachte herzlich über das Gesicht ihrer Tochter. «Verzeih, Marysa, aber das ging alles ein bisschen schnell. Was Meister Goldschläger … Bardolf», verbesserte sie sich mit einem kurzen Blick auf den Mann, dessen Arme sie noch immer fest umfangen hielten, «dir sagen will, ist, dass wir uns soeben verlobt haben.»
    «Verlobt, aha.» Marysa blickte unsicher zwischen den beiden hin und her. «Sagtest du nicht, ihr kennt Euch erst seit vorgestern?»
    «Nun, wenn man es ganz genau nimmt, kennen wir uns bereits seit zwanzig Jahren», sagte Bardolf. «Aber dies soll Euch Eure Mutter genauer erklären. Ich fürchte, ich muss mich nun verabschieden. Meine Arbeit ruft.»
    «Deshalb bin ich hier», antwortete Marysa. «Ein Bursche aus Eurer Werkstatt steht vor der Tür und verlangt dringend nach Euch.»
    Bardolf nickte und löste sich widerstrebend von Jolánda. «Das dachte ich mir bereits. Kaum bin ich einmal für eine Weile aus dem Hause … Du erlaubst doch, dass ich dich heute Abend noch einmal besuche?», wandte er sich an seine zukünftige Braut.
    Jolánda nickte lächelnd. «Darum will ich doch sehr bitten.»
    Er verneigte sich fröhlich. «Dann bis heute Abend in der Kockerellstraße.»
    Marysa wartete, bis er das Zimmer und den Geräuschen nach auch das Haus verlassen hatte, dann blickte sie ihre Mutter skeptisch an. «Bist du sicher, dass ihr nicht ein wenig voreilig handelt? Du kennst diesen Mann doch überhaupt nicht.»
    Jolánda umarmte ihre Tochter herzlich. «Ach, Kind, manchmal bedarf es keiner großen Zeitspanne, um zu wissen, wohin man gehört.»

17. Kapitel
    M arysa, ich muss mit dir sprechen.» Reinold setzte sich am Abend des übernächsten Tages auf das gemeinsame Bett und nestelte an der Verschnürung seines Stiefels. «Mir ist da eine Idee gekommen, während ich im Gefängnis saß.»
    Marysa, die sich bereits unter ihre Decke gekuschelt hatte, setzte sich überrascht wieder auf. Mit einem lauten Klacken ließ Reinold den Stiefel zu Boden fallen und wandte sich dann dem zweiten zu. Durch die Ritzen der verschlossenen Fensterläden pfiff ein scharfer Wind, der Unwetterwolken auf Aachen zutrieb.
    «Was für eine Idee?», hakte sie nach, als er nicht weitersprach. Aus der Ferne rollte der erste Donner heran.
    Er warf den zweiten Stiefel von sich und knöpfte dann die Beinlinge von seiner Bruch. Beide ließ er ebenfalls auf den Fußboden fallen, wo auch schon sein Wams und die Schecke lagen. Zuletzt wanderte die Bruch hinterher, und er schob sich zu ihr unter die Decke. «Mir kam der Gedanke, dass diese Sache mit den gefälschten Reliquien gar nicht so übel ist. Natürlich dürfen sie nicht so schlecht sein, dass man es gleich erkennt. Hatte dein Vater nicht Kontakte zu Männern, die sich auf gute Fälschungen verstehen?»
    «Meister Reinold, was soll das heißen?» Erschrocken starrte Marysa ihn an.
    Er zuckte mit den Schultern. «Nun tu nicht so. Ich bin sicher, dass du ganz genau über die Geschäfte deines Vaters Bescheid wusstest, solange er gelebt hat. Sein Vermögen stammt nicht nur aus dem Verkauf von zwei, drei echten Reliquien pro Jahr. Wenn wir es also richtig anstellen und nicht mit Pfusch handeln …»
    «Ihr wollt Reliquien verkaufen? Gefälschte?» Marysa konnte es nicht fassen. «Meister Reinold, Ihr wurdet ins Gefängnis gesperrt, weil man Euch genau dessen bezichtigt hat! Zum Glück hattet Ihr nichts damit zu tun. Doch was, glaubt Ihr, geschieht, wenn man Euch doch etwas nachweisen kann?»
    «Wird man ja nicht, weil die Fälschungen besser sein müssen als das Zeug, das Klas mit sich herumtrug. Weiß der Himmel, wie der Junge daran geraten ist und was er damit wollte. Und bedenke, ich bin wieder frei, mein Ruf ist nicht beschädigt – im Gegenteil! Niemand wird es wagen, mich noch einmal zu verdächtigen.» Er lächelte sie fast zärtlich an. «Marysa, sieh mich nicht so an, ich bin fest entschlossen. Aber zunächst muss ich diese unlautere Konkurrenz loswerden. Ich bringe in Erfahrung, wer hinter dem Handel mit den Fälschungen steckt, und liefere ihn ans Messer. Bis dahin solltest du an die ehemaligen Partner deines Vaters schreiben. Sie werden sich freuen, von dir zu hören, und bestimmt bereit sein, auf meinen Geschäftsvorschlag einzugehen.»
    Marysa glitt benommen unter ihre Decke zurück.

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