Die Stadt der Heiligen (German Edition)
Meister Enno! Ihr habt selbst gesagt, die Domherren haben zu viel Macht, als dass man ihnen so leicht beikommen könnte. Reinold kann nicht hingehen und einen von ihnen anzeigen und dann einfach den Reliquienhandel übernehmen. Das müsst Ihr doch einsehen!» Ihre Stimme überschlug sich fast. «Er bringt sich und uns alle in Gefahr damit!»
Ennos Miene verzerrte sich vor Zorn. «Du weißt wohl nicht, wo dein Platz ist, Weib.» Er holte aus und schlug ihr ins Gesicht. «Überlass das Denken und die Geschäfte gefälligst denen, die etwas davon verstehen. Frauen haben damit nichts zu schaffen. Jedenfalls nicht, wenn sie wie du keinerlei Ausbildung vorweisen können und kein Geschäft ihr Eigen nennen. Wenn dein Vater gewollt hätte, dass du dich in die Angelegenheiten deines Ehemannes einmischst, hätte er dich von Kindesbeinen an in eine Lehre gegeben. Also schweig und geh zurück an deine Hausarbeit!»
«Aber Ihr könnt nicht einfach …»
«Raus mit dir, du undankbares Ding!», brüllte Enno sie an. «Oder willst du meine Hand auch noch auf deinem Hinterteil spüren? Dein vorlautes Mundwerk werde ich dir schon abgewöhnen. Mein Sohn ist wohl zu weich, um dir zu zeigen, wer der Herr im Hause ist, was?»
Marysa zog den Kopf ein und wich bis zur Tür zurück, öffnete sie unbeholfen und flüchtete hinaus auf die Straße.
Eilig rannte sie um die Hausecke, öffnete das Tor zum Hof und schlüpfte hindurch. Ohne die verwunderten Blicke ihrer alten Magd wahrzunehmen, die gerade einen Nachttopf zum Abort trug, und ungeachtet des noch immer niederprasselnden Regens schlüpfte sie in die Laube und setzte sich auf die nasse Holzbank.
Schon lange hatte sie ihren Schwiegervater nicht mehr so wütend erlebt. Und geschlagen hatte er sie bisher noch nie, obwohl sie wusste, dass er jähzornig war und ihm bei anderer Gelegenheit schon die Hand ausgerutscht war. Vermutlich hatte sie seinen Stolz verletzt. Damit hätte sie rechnen müssen, denn er war einer der Männer, die sich ungern und schon gar nicht von einer Frau etwas sagen ließen. Aber hätte sie schweigen sollen?
Dass er Reinolds Vorhaben auch noch guthieß, war einfach zu viel für sie gewesen. Was war nur in die Männer gefahren? Sahen sie denn wirklich nicht, wie unsinnig es war, sich mit den Fälschern anzulegen? Ganz zu schweigen von der Gefahr, in die sie sich begaben.
Der Regen durchnässte ihre Haube und ihren Surcot, doch Marysa rührte sich nicht von der Stelle. Wut und ein Gefühl der Machtlosigkeit kämpften in ihrem Inneren miteinander und ließen sie die Hände zu Fäusten ballen.
Plötzlich fiel ihr das Kleid ein, von dem Reinold gesprochen hatte. Es sah ihm ähnlich, dass er es ihr zur Kirmes schenken wollte. Er gab gerne vor, seine Frau mit Kleidern zu überhäufen. Leider vergriff er sich grundsätzlich in den Farben. Welche würde er ihr diesmal wohl aufzwingen? Sie war sich nicht sicher, aber manchmal hatte sie das Gefühl, er kaufe ihr absichtlich geschmacklose Kleider, damit die Frauen über sie lächeln konnten und die Männer sie hässlich fanden. Ja, es sah ihm wirklich ähnlich. Er hasste es, wenn sie sich wohlfühlte und glücklich war, da er selbst zu solchen Gefühlen überhaupt nicht fähig war. Und er war eifersüchtig auf jede Zuwendung, die man ihr zollte, und waren es auch nur Blicke. Leider war das die einzige Gefühlsregung, die er ihr entgegenbrachte. Und darauf konnte sie verzichten.
Aber wie auch immer, sie musste heute noch zu ihrem Schwager gehen, um das Kleid anzuprobieren, wenn es in drei Tagen fertig sein sollte. Noch mehr Zank und Ärger konnte sie nämlich heute nicht ertragen. Vorher würde sie jedoch diese vermaledeiten Briefe aufsetzen.
Als der Regen ihr langsam unangenehm das Rückgrat hinablief, stand sie auf und begab sich zurück ins Haus. In ihrer Schlafkammer zog sie sich rasch die nassen Kleider aus.
Während sie noch in ihrer Truhe nach einer sauberen Bruch wühlte, öffnete sich hinter ihr die Tür.
«Nanu, so unbekleidet?» Mit einem anzüglichen Grinsen trat Reinold auf sie zu. Er fasste nach ihrem Arm und zog sie zu sich heran. «Hast du auf mich gewartet? Welch nette Überraschung.» Er stieß sie aufs Bett und begann ungeniert, seine Bruch aufzunesteln. «Verzeih, wenn ich dich in den letzten Tagen vernachlässigt habe. Aber das können wir gleich hier und jetzt ändern.»
Bevor sie protestieren konnte, lag er auch schon halb auf ihr und schob mit einem Knie ihre Beine auseinander. Er war nicht
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