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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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«Ich soll das tun?» Noch niemals hatte er sie um ihre Mithilfe in geschäftlichen Dingen gebeten. Und jetzt tat er es ausgerechnet in einer derart absurden Angelegenheit. Er hatte nicht die geringste Ahnung vom Reliquienhandel. Und was er da vorhatte, war gefährlich. Wenn Klas tatsächlich wegen dieses Knochensplitters ermordet worden war, würden die Täter doch sicherlich nicht davor zurückschrecken, einen weiteren Gegner aus dem Weg zu räumen, auch wenn es sich um einen angesehenen Schreinbauer und Bürger Aachens handelte.
    Doch als sie dies zu bedenken gab, winkte Reinold nur lässig ab. «Du bist viel zu ängstlich, Marysa. Mach dir um mich keine Sorgen. Sobald ich weiß, wer hinter der Sache steckt, melde ich ihn den Schöffen und dem Dompropst. Dann kann uns gar nichts mehr passieren. Du schreibst gleich morgen früh einen Brief an die alten Geschäftspartner deines Vaters und bittest sie um einen Besuch. Und danach gehst du zu Einhard und probierst dein neues Kleid an.»
    «Was für ein neues Kleid?» Verblüfft hob Marysa noch einmal den Kopf.
    «Das, welches ich gestern für dich in Auftrag gegeben habe. Ich habe Einhard gesagt, es muss bis zum Beginn der Kirmes fertig sein. Am ersten Tag der Heiltumsweisung wirst du es bei der Messe im Dom tragen.» Mit diesen Worten drehte ihr Reinold den Rücken zu und begann schon wenige Augenblicke später leise zu schnarchen.
    Marysa löschte die Kerze neben ihrem Bett und starrte dann eine lange Weile in die Dunkelheit, die immer wieder von Blitzen durchzuckt wurde. Das Donnergrollen wurde lauter, bald prasselten die ersten Regentropfen nieder, sodass sie rasch noch einmal aufstand und die Fensterläden schloss.
    Sie musste Reinold von diesem unsinnigen Plan abbringen. Was wollte er denn erreichen, wenn er das Geschäft mit gefälschten Reliquien an sich riss? Und wenn es schon sein musste, warum gerade jetzt und gleich in so großem Umfang? Man ging solche Dinge langsam und vorsichtig an. Sie hatte ihren Vater jahrelang bei seinen Geschäften beobachtet, und er hatte niemals etwas übereilt und unüberlegt getan. Reinold hingegen schien von dem Gedanken an das Geld, das sich möglicherweise damit verdienen ließ, geblendet zu sein.
    Vielleicht sollte sie sich an Meister Enno wenden. Ihr Schwiegervater würde die Idee seines Sohnes bestimmt nicht gutheißen und sie ihm wieder ausreden. Andererseits würde Reinold sehr ungehalten reagieren, wenn er erfuhr, dass sie seinen Vater eingeschaltet hatte. Er würde vermuten, dass sie ihm nicht zutraute, das Reliquiengeschäft zu führen.
    Abgesehen davon, dass er damit recht hatte, würde er sie bestimmt noch unfreundlicher behandeln, wenn sie auf diese Weise seinen Stolz verletzte. Aber sie konnte ihn doch bei diesem Unfug unmöglich unterstützen!
    Seufzend legte sie sich wieder hin, drehte sich auf die Seite und schloss die Augen. Heute Nacht würde sie keine Lösung mehr finden. Sie lauschte dem Unwetter und versuchte, an nichts mehr zu denken.
***
    Der Regen hatte auch am folgenden Morgen noch nicht nachgelassen. Grimold und Fita freuten sich, weil das Wasser dem Gemüsegarten guttat. Marysa störte sich normalerweise nicht an schlechtem Wetter, doch heute drückten ihr die dunklen Wolken aufs Gemüt.
    Reinold hatte sie noch einmal aufgefordert, so rasch wie möglich die Briefe zu schreiben, und war dann ungewöhnlich guter Dinge fortgegangen. Nun saß sie in dem winzigen Kontor, vor sich die Aufzeichnungen ihres Vaters, die seit seinem Tode in der schweren Eichentruhe unter dem Fenster lagerten. Beim Anblick seiner Handschrift schnürte es ihr die Kehle zu. Sie vermisste ihren Vater sehr. Und nun sollte sie sich an seine alten Freunde wenden, um ihrem Gemahl dabei zu helfen, eine große Dummheit zu begehen. Wie sollte sie ihn nur davon abhalten, den Fälschern nachzustellen? Wenn die merkten, dass man ihnen auf der Spur war, würden sie doch nicht einfach stillhalten! Der Anblick des toten Klas mit seiner klaffenden Kopfwunde stand ihr noch immer vor Augen und jagte ihr Schauer über den Rücken.
    Zögernd sah sie ein Schreiben nach dem anderen durch und sortierte die Briefe, die sich darunter befanden, nach den verschiedenen Absendern. Es waren auch einige Nachrichten von ihrem Großvater aus Ungarn dabei. Entschlossen legte sie diese in die Truhe zurück. Ihn würde sie ganz gewiss nicht in Reinolds Pläne hineinziehen. Sie hatte Bernát Kozarac nur zweimal in ihrem Leben gesehen. Beim ersten Mal war sie gerade

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