Die Stadt der Heiligen (German Edition)
helleres Gelb gewählt hätte und statt Mi-parti nur eine Querteilung in der Mitte, oder für das Oberkleid gleich nur eine Farbe, dann würde es dir viel besser zu Gesicht stehen.»
«Und das soll ich bei der Kirmes tragen … im Dom», fügte sie entsetzt hinzu und spürte erneut, wie sich der kleine heiße Ball in ihrem Magen regte.
Veronika, die gerade hinzukam, legte ihr tröstend einen Arm um die Schultern. «Vielleicht bleibt das schlechte Wetter ja, und du kannst einen langen Mantel darüber tragen. Dann sieht man es nicht so.»
Marysa schüttelte den Kopf. «Er wird mich zur traditionellen Feier im Zunfthaus mitnehmen. Spätestens da werden mich alle anstarren.» Sie schüttelte verdrossen den Kopf. «Hat er sich auch Kleider bestellt?»
Einhard nickte. «Beinlinge und eine Schecke, beides in den gleichen Farben. Er fand das wohl lustig.»
«Auch das noch!» Marysa schloss kurz die Augen und bemühte sich um Ruhe. «Also gut, lass es mich anprobieren.»
«Ich würde mir das nicht gefallen lassen, Marysa», meinte Veronika. «Vielleicht kann ich ja mal mit meinem Bruder reden. Du hast so einen guten Geschmack, was Kleider angeht. Eigentlich müsste er sich gar nicht darum kümmern.»
«Nein, lieber nicht», wehrte Marysa ab, obwohl sie ihrer Schwägerin natürlich insgeheim recht gab. «Ich will keinen Streit, und du kennst ihn doch. Wenn er sich etwas in den Kopf setzt, bringt ihn nichts so leicht davon ab. Ich bin sicher, er weiß ganz genau, warum er mir nicht erlaubt, mir meine Kleider selbst auszusuchen.»
«Du meinst, er macht das mit Absicht?» Veronika runzelte die Stirn. «Glaubst du, er ist so eifersüchtig, dass er dich in die hässlichsten Kleider steckt, um zu verhindern, dass andere Männer dich hübsch finden?»
«Eifersüchtig nicht», sagte Marysa grimmig und ging zusammen mit ihrer Schwägerin hinter die mannshohe Trennwand, hinter der sie sich umkleiden konnte. «Jedenfalls nicht so, wie du meinst. Dazu müsste er ja etwas für mich empfinden, oder? Nein, aber ich bin schließlich sein Besitz, und den verteidigt er mit allen Mitteln. Außerdem hasst er es, wenn ich mich wohl und glücklich fühle.»
«Hach, er ist ja so ein Miesepeter.» Mitfühlend streichelte Veronika ihr über die Wange. «Wenn wir nicht schon seit vielen Jahren Freundinnen wären und ich mich nicht so sehr gefreut hätte, dass du durch die Heirat mit Reinold meine Schwägerin wirst, hätte ich gleich wissen müssen, dass das mit Euch nicht gutgeht. Ich hätte dir davon abraten sollen.»
«Mach dir keine Vorwürfe.» Marysa zog sich das Überkleid über den Kopf. «Du weißt doch, dass ich gar keine andere Wahl hatte. Hätte ich Hartwig das Geschäft überlassen sollen? Ich bin doch froh, dass er sich jetzt aus unserem Leben heraushält. Bei der Kirmes und dem Bankett im Zunfthaus werde ich ihn zum ersten Mal seit meiner Hochzeit wiedersehen.»
«Ich bin ihm neulich beim Schuhmacher begegnet», erzählte Veronika. «Er war sehr hochfahrend und unfreundlich zu mir. Als ob ich etwas dafür könnte, dass du meinen Bruder geheiratet hast.»
«Das sieht ihm ähnlich.» Marysa nickte ihrer Schwägerin zu. «Wie sehe ich aus?»
«Ganz ehrlich?» Veronika verzog kläglich die Mundwinkel. «Es ist nicht ganz so schlimm wie das ockerfarbene …»
«Aber ich sehe trotzdem aus wie eine Pfanne voller gebratener Eier, nicht wahr?»
Veronika biss sich auf die Lippen, doch dann konnte sie sich nicht mehr beherrschen und prustete los. Marysas Mundwinkel zuckten, dann brach auch sie in Gelächter aus.
«Was ist denn so lustig?» Einhard lugte um die Ecke des Wandschirms und schlug sogleich die Hände über dem Kopf zusammen. «Bei allen Aposteln! Marysa, das kannst du unmöglich tragen!»
«Sehe ich nicht appetitlich aus?», gluckste Marysa. Doch dann wurde sie wieder ernst, denn sie hatte gerade einen Entschluss gefasst. «Du hast recht, Einhard. Das kann ich nicht tragen. Veronika, hilf mir bitte, das Überkleid auszuziehen. Kannst du es noch ändern, Einhard? Das Mi-parti auftrennen und das Überkleid ganz aus dem gelben Stoff fertigen? Und vielleicht einen passenden Gürtel dazu besorgen?»
Einhard sah sie überrascht an. «Bist du sicher, dass ich das tun soll? Was wird Reinold sagen?»
Marysa spürte kurz dem Brennen in ihrer Magengrube nach. «Er wird sich furchtbar aufregen. Aber wenn ich nicht langsam beginne, ihm entschlossener entgegenzutreten, werde ich es in dieser Ehe nicht mehr lange
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