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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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grob, das war er selten, und wenn, dann nur, wenn er zu viel getrunken hatte. Dennoch konnte Marysa seinen streichelnden Händen nichts abgewinnen. Während er sie nahm, bemühte sie sich trotz ihres Widerwillens, ihm wie eine gehorsame Ehefrau entgegenzukommen, da das, was er tat, ja sein gutes Recht war. Sie starrte dabei jedoch die ganze Zeit zum Betthimmel hinauf und beobachtete eine Fliege, die dort auf dem Blumenmuster hin und her krabbelte. Als Reinold nach wenigen Minuten keuchend über ihr zusammenbrach, atmete sie auf. Er rollte sich von ihr herunter und richtete sich auf. «Nicht schlecht, das werde ich gerne später noch einmal wiederholen. Schade nur, dass dir das rechte Feuer unterm Kittel fehlt. Hast wohl nicht viel von deiner heißblütigen ungarischen Sippe geerbt, was?» Er richtete seine Kleidung und ging zur Tür. «Na, macht ja nichts. Dann brauche ich mir auch keine Sorgen zu machen, dass du mit einem anderen zwischen die Decken kriechst.»
    «Was soll das heißen?» Während Marysa noch dabei war, ihre Blöße zu bedecken, hob sie erschrocken den Kopf. «Wer behauptet das?»
    Reinold lachte. «Niemand, Marysa. Wer käme auch auf so eine Idee. Selbst dieses einfältige hoffärtige Frauenzimmer von gegenüber, Berscheiders Ragna, dürfte heißblütiger sein als du.» Er winkte ab. «Hast du die Briefe fertig?»
    Marysa, ganz betroffen über Reinolds abfällige Äußerung, schüttelte den Kopf. «Noch nicht ganz.»
    «Dann beeil dich damit. Und vergiss nicht, nachher noch zu Einhard zu gehen.» Damit wandte er sich endgültig ab und verließ die Schlafkammer.
    Marysa starrte auf die Tür, die hinter ihm zugefallen war, und bemühte sich um Fassung. War sie wirklich so gefühlskalt, wie Reinold behauptete? Sie stand auf und goss Wasser aus dem großen Tonkrug in die Waschschüssel. Sie empfand nun einmal nichts, wenn Reinold ihr beiwohnte. Stattdessen hatte sie hinterher immer das Bedürfnis, sich überall gründlich zu waschen. Vielleicht sollte sie diesmal sogar ein richtiges Bad nehmen.
    Marysa schloss die Verschnürungen an ihrem Überkleid und begann dann, ihre Haare zu ordnen. Um nicht in Trübsal zu verfallen, blickte sie in den kleinen polierten Silberspiegel und schnitt eine Grimasse, dann steckte sie entschlossen den Schleier ihrer Haube fest und ging zurück ins Kontor, um endlich die Briefe aufzusetzen, die sie nicht beabsichtigte abzuschicken.

18. Kapitel
    A chhörner! Kauft Achhörner, Leute! Jeder, der die Heiltümer unserer liebwerten Gottesmutter und unseres Herrn Jesus Christus gebührend begrüßen will, muss ein Achhorn haben. Nur beste Qualität aus den Brennöfen von Langerwehe. Leute, kommt und kauft!» Der Achhornhändler, ein kleiner, kugelrunder Mann mit enormer Stimmkraft, wanderte mit seinem Karren voller Keramikhörner über den Marktplatz. Seine Ware war begehrt, stellten die Hörner doch eines der Wahrzeichen der Aachener Heiltumsweisung dar und waren neben den metallenen Pilgerzeichen beliebte Andenken.
    Christophorus beobachtete den Mann schon eine ganze Weile und bewunderte die guten Geschäfte, die sich offenbar mit den Hörnern und dem anderen Keramikzeug, das der Händler mit sich führte, machen ließen. Gerade überlegte er, ob er für seine weitere Reise eine der tönernen Wasserflaschen erstehen sollte, als seitlich von ihm irgendwo muntere Musik aufklang. Begleitet wurde sie von den aufreizenden Klängen einer kleinen Trommel. Der Takt kam ihm bekannt vor, und als er sich durch die Menschenmenge gedrängt hatte, die ihm die Sicht versperrte, erkannte er die kleine Gauklertruppe, die zu der Pilgergruppe gehört hatte, mit der er nach Aachen gereist war. Zwei Männer, einer mit der Trommel und ein Pfeifer, sowie eine farbenfroh gekleidete Frau mit einer Fidel machten die Leute auf sich aufmerksam, während Estella akrobatische Kunststücke vorführte. Ein junger Mann schob einen hochbeladenen Karren hinter ihr her. Zuletzt kam eine ältere Frau, die einen Esel am Strick führte. Das war Gizella, Estellas Mutter. Sie verstand sich aufs Singen, Musizieren und auf das Heilen mit Kräutern. Auch konnte sie Knochen besser einrenken als so mancher Bader. Als sie ihn erkannte, winkte sie ihm fröhlich zu, und er verneigte sich lächelnd, zog sich jedoch ein wenig in die Menschenmenge zurück, um zu verhindern, dass auch Estella ihn sah. Er kannte ihr Temperament und fürchtete, sie würde ihn womöglich überschwänglicher und vertrauter begrüßen, als es seinem

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