Die Stadt der Heiligen (German Edition)
verkauft, um denjenigen ans Messer zu liefern.»
«Um was zu erreichen?», fragte Christophorus, und in seinen Augen flackerte Interesse auf.
Sie biss sich auf die Lippen. «Um den Handel selbst zu übernehmen. Und nein, ich halte das für keine gute Idee. Guten Tag, Bruder Christophorus.» Damit wandte sie sich endgültig ab und verließ den Goldenen Ochsen .
21. Kapitel
I ch hatte recht, Marysa!» Reinold grinste sie triumphierend an, während er Hobelspäne und kleine Holzsplitter von seinem Arbeitstisch auf den Boden fegte.
Marysa war gerade von Meister Goldschlägers Haus zurückgekehrt und wunderte sich, dass Reinold in der Werkstatt arbeitete. «Wo wart Ihr? Wir waren eingeladen, habt Ihr das vergessen?»
Doch Reinold winkte ab. «Ich hatte keine Zeit. Marysa, ich weiß jetzt, wer die falschen Reliquien verkauft. Und ich hatte recht mit meiner Vermutung. Es ist ein Augustiner mit Namen Theophilus. Er treibt sich die meiste Zeit in den Straßen an der Stadtmauer herum, oft auch draußen vor den Stadttoren. Deshalb ist er uns hier noch nicht begegnet. Aber ich habe ihn beobachtet und konnte ihm vorhin bis zur Domimmunität folgen. Er ging in das Haus von Johann Scheiffart.»
Marysa starrte ihn erschrocken an. «Und was wollt Ihr jetzt tun? Johann Scheiffart ist ein mächtiger Mann. Er kommt, glaube ich, im Marienstift gleich nach dem Dechanten. Wenn er für die Fälschungen verantwortlich sein sollte …»
«Marysa, er ist dafür verantwortlich. Das ist doch offensichtlich. Du weißt selbst, dass er den Reliquienhandel des Stiftes führt.»
Marysa stützte sich auf dem Arbeitstisch ab und dachte nach. «Seid Ihr sicher, dass dieser Theophilus zu ihm wollte? Scheiffart war doch gar nicht in seinem Haus. Meister Goldschläger hat erzählt, die obersten Kanoniker seien alle beim Ritual der Schreinsöffnung anwesend gewesen. Zwei von ihnen bleiben, wie Ihr wisst, bis zum Ende der Heiltumsweisung oben im Dom, in der Kammer neben dem Oktogon, wo die Reliquien in den nächsten zwei Wochen aufbewahrt werden.»
«Ich bin überzeugt davon, dass dieser Augustiner in Scheiffarts Haus auf dessen Rückkehr gewartet hat. Leider konnte ich mich nicht so lange dort aufhalten. Außerdem lungern mittlerweile dermaßen viele Pilger rund um den Dom herum, dass man kaum mehr durchkommt. Alle wollen sie einen besonders guten Platz für morgen ergattern. Die Holtzappels und der Apotheker Engels haben, wie ich hörte, ihre Dächer bereits verstärken und mit Bohlen abstützen lassen und verkaufen die guten Aussichtsplätze an vermögende Pilger. Die anderen Anwohner beim Dom werden es ihnen gleichtun, wenn sie merken, wie viel Geld sich damit verdienen lässt. Der Schöffe van Eupen hat sich ja vor drei Jahren, als er sein Haus auf der Immunität gekauft hat, auch gleich ein Stück des Daches begradigen lassen.» Reinold schüttelte den Kopf. «Das soll uns aber nicht weiter stören. Wir werden morgen früh zuerst die Messe im Dom besuchen. Danach musst du zum Bankett ins Zunfthaus gehen, während ich mit dem Verkauf unserer Reliquiare beginne. Nach den Festlichkeiten kommst du sofort zurück zum Parvisch und übernimmst den Verkauf, und ich werde zu den Schöffen gehen und diesen Theophilus anzeigen.» Zufrieden wischte Reinold sich die Hände an seinen Beinlingen ab und lächelte breit. «Ich hoffe nur, die Geschäftsfreunde deines Vaters zögern nicht lange und geben uns bald Nachricht.»
Marysa sah Reinold fassungslos an. Zunächst musste sie noch die Tatsache verdauen, dass er ihr den Verkauf der Reliquiare am Dom anvertraute. Doch je mehr er sich in seine Idee hineinsteigerte, desto mulmiger wurde ihr.
«Meister Reinold, glaubt Ihr wirklich, Ihr könnt diesen Theophilus so einfach anzeigen und damit fliegt der Handel mit den Fälschungen auf?» Sie rieb sich über die Stirn. «Er wird untertauchen, und damit auch alle Beweise, so es denn welche gibt. Außerdem sagt Bruder Christophorus, dass es im Augustinerkloster gar keinen Mönch mit dem Namen Theophilus gibt. Wo wollt Ihr ihn denn suchen, wenn er sich versteckt? Er wird ja bestimmt nicht im Marienstift wohnen. Und Scheiffart könnt Ihr erst recht nichts beweisen. Er wird einfach einen anderen Händler losschicken.»
Reinolds Miene verzog sich ungeduldig. «Wenn ich Johann Scheiffart ebenfalls anzeige, wird es eine Untersuchung geben.»
Marysa schüttelte den Kopf. «Doch jetzt nicht! Die Gerichtsbarkeit ruht während der Kirmes, das wisst Ihr doch.»
«Nicht in
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