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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Reinold verhielt. Sie hob den Kopf und blickte ihm ins Gesicht.
    «Sind sie nicht. Die Briefe, meine ich. Ich habe sie noch nicht abgeschickt.»
    «Wie bitte?» Reinold war einen Moment lang so überrascht, dass er sie losließ.
    «Ich wollte ein paar Tage damit warten, weil ich gehofft habe, Ihr würdet es Euch doch noch einmal anders überlegen», sagte Marysa mit einem letzten Funken Entschlossenheit. Sie musste ihn von seinem Vorhaben abbringen, sonst waren sie beide verloren. «Ihr müsst doch einsehen, dass die ganze Sache … übereilt ist. Ihr habt so viel Arbeit mit der Schreinwerkstatt. Zwei Gesellen könntet Ihr beschäftigen. Es bliebe doch gar keine Zeit, Euch um den Reliquienhandel zu kümmern. Und wenn die Kanoniker unbedingt gefälschte Reliquien unters Volk bringen wollen, so lasst sie doch gewähren. Ich bin sicher, es wird irgendwann herauskommen. Vielleicht wird Bruder Christophorus ihnen das Handwerk legen. Schon wegen Klas …»
    «Das soll ich also einsehen, ja?» Reinolds rechte Hand schoss erneut vor. Er fasste Marysa hart an ihrer Haube und zerrte daran.
    Wieder schrie sie vor Schmerz auf, denn er hielt nicht nur Stoff, sondern auch ein Büschel Haare in seiner Faust. Er zog sie zu sich heran, und die Rise, die sie unter ihrer Haube trug, schloss sich immer fester um ihr Kinn und ihren Hals und würgte sie.
    «Du bist nicht dumm, Marysa. Und vielleicht hast du ja mit Bruder Christophorus sogar recht.» Sein Griff wurde noch eine Spur fester. «Aber eines solltest du dir merken.» Unsanft drängte er sie gegen die Tischkante. «Du hast zu tun, was ich dir sage. Und du wirst diese Briefe noch heute einem Boten mitgeben. Unter meiner Aufsicht. Die Werkstatt und alle geschäftlichen Angelegenheiten sind meine Sache. Du hältst dich da heraus!»
    Er stieß sie von sich und verließ das Haus mit harten Schritten. Marysa taumelte gegen eines der Regale und hielt sich daran fest. Mit einer Hand fasste sie an ihren Hals. Die Haut brannte dort, wo die Rise ihr ins Fleisch geschnitten hatte. Sie lockerte ihre Haube und bemühte sich, ruhig ein- und auszuatmen. Ihr Herzschlag normalisierte sich langsam, die Wut, die sich in ihrem Inneren angestaut hatte, wich jedoch nicht.
    Reinold war verrückt, wenn er glaubte, die Dinge würden sich nach seinen Wünschen entwickeln, wenn er nur den Kanoniker bei den Schöffen anzeigte. Niemals hätte sie gedacht, dass er so kurzsichtig und verblendet handeln würde.
    Sie zuckte zusammen, als es an der Haustür pochte. Eilig richtete sie ihre Haube, so gut es ohne Spiegel möglich war, und richtete sich auf, obwohl ihre Schultern noch immer schmerzten.
    Sie verzog unbewusst das Gesicht, als sie öffnete.
    «Marysa, guten Tag!», sagte Einhard und hielt ihr ein mit grobem Leinen umwickeltes Paket hin. «Ich bringe dir dein Kleid und Reinolds …» Sein fröhliches Lächeln schwand, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte. «Ist etwas geschehen? Marysa, du hast da eine Strieme am Kinn …» Er verstummte verlegen. «Bist du in Ordnung?»
    Marysa nickte stumm, nahm das Paket und legte es hinter sich auf den Boden. «Es ist nichts, Einhard. Mir geht es gut. Ist Reinold dir begegnet?»
    «Nein, sollte er?»
    Marysa zuckte mit den Schultern. «Dann wird er wohl noch einmal zum Parvisch gegangen sein. Danke, dass du mir die Kleider gebracht hast. Die Bezahlung …»
    «Mach dir darüber keine Gedanken. Das hat Zeit bis nächste Woche», sagte Einhard und musterte sie besorgt. «Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?»
    «Ich würde dich gerne hereinbitten, aber ich habe noch etwas zu erledigen …»
    Einhard zögerte, doch dann nickte er. «Dann werde ich jetzt mal wieder gehen. Soll ich Veronika …»
    «Nein. Wir sehen uns morgen bei der Messe im Dom, nicht wahr?», schnitt sie ihm das Wort ab.
    «Also gut», meinte er. «Dann bis morgen, Marysa.» Er ging ein paar Schritte davon, drehte sich jedoch noch einmal zu ihr um.
    Sie lächelte ihm betont gleichmütig zu und schloss dann die Tür. Als sie sich umwandte, stieß sie mit dem Fuß gegen das Paket. Rasch hob sie es auf und trug es hinauf in ihre Schlafkammer. Dort legte sie es auf dem Bett ab und setzte sich daneben. Sie löste ihre Haube und zog sie zusammen mit der Rise aus, ließ sie zu Boden fallen und strich sich vorsichtig über die schmerzende Stelle am Hinterkopf.
***
    «Meister Markwardt verfolgt Theophilus und horcht in der Stadt die Leute aus. Ich fürchte, er ahnt etwas.»
    «Wir behalten ihn im Auge. Was

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